Prosa: Begegnungen und Sonstiges...

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Eine Begegnung mit Harry Rowohlt

(* 27. März 1945 † 15. Juni 2015)

R.I.P.

 

Vor einigen Jahren hielt der Übersetzer und Schauspieler

Harry Rowohlt bei uns im Jazzhaus Freiburg eine Bücherlesung:

Nun, mit dem Namen Rowohlt verbindet man das bekannte

Verlagshaus, mit jemandem, der aus Büchern vorliest,

die mitnichten seine eigenen sind, jemanden, der sich

für Literatur interessiert, also dachte ich:

„Stell ein paar Gedichte von Dir zusammen und spreche ihn an“.

Das tat ich auch.

Ich stand also mit einem kleinen Päckchen in der Hand

vorm Jazzhaus und wartete auf ihn,

sein Gesicht ist ja bekannt, da kam er dann auch irgendwann –

ganz so aussehend, wie man ihn eben kennt –

und ließ auch prima mit sich reden.

Seine Worte amüsierten mich sehr.

Ich bin kein Verlag, obwohl ich Rowohlt heiße,

und Stoff zum Lesen hab ich selber dabei !“.

Ich konnte über diese „Abfuhr“ unmöglich böse sein,

sagte ihm das auch lächelnd und nahm mein Päckchen wieder mit.

Er war sehr nett und äußerst sympathisch.

Ich hatte also gerade einen Spross der Verlegerfamilie

kennengelernt, der sich abgenabelt hatte...

obschon letztlich der Literatur verpflichtet,

will der gute Mann nicht wirklich was zu tun haben

mit dem Betrieb seiner Familie.

Er wird wissen, warum.

Und es ist sein gutes Recht, sich – wie jeder andere Leser –

die Bücher selbst auszusuchen, die er liest.

Ich kann nicht wirklich sagen, dass ich enttäuscht war.

Ich hatte mich sehr gefreut, mich mit Harry Rowohlt

persönlich unterhalten zu haben.

Ich kenne mittlerweile auch eine Frau Suhrkamp.

Eine Zufallsbekanntschaft, mehr nicht.

Sie hatte eben einst in die Verlegerfamilie eingeheiratet.

Sie ist aber auch kein Verlag.

Und ihr Mann lebt leider nicht mehr.

Sie mag meine Musik, also hat sie ein paar CDs von mir bekommen.

Meine Gedichte kommen jetzt eben nach und nach auf diese Seite.

Die Sache mit den Verlagen hab ich abgehakt beim Helfen eines Freundes,

meine Lyrik ist eher ein „Hobby“... schön, wenn ich sie

überhaupt veröffentlichen kann.

 

Rupert 18.4.2011


 

 

Bob Dylan’s Roadie

 

So Anfang des neuen Millenniums hatte ich eine Phase,

wo ich allen möglichen Leuten Geschenke machen wollte.

Ich hoffte wohl, dass sich dadurch irgendwelche „wichtigen Kontakte“

ergäben, die mir als Musiker weiterhelfen könnten.

Aber auf jeden Fall wollte ich den Beschenkten eine Freude machen,

denn wenn das dabei rauskam, war es die Mühe wert.

Und da kam Bob Dylan nach Freiburg.

Auf seiner „Never Ending Tour“.

Ein Ticket konnte ich mir nicht leisten, aber ein Geschenk

wollte ich ihm machen.

Dylan ist wirklich toll.

Ein Typ, der nicht wirklich singen kann,

aber mit seiner Stimme berührt,

ein großartiger Texter und Liedschreiber,

ein inzwischen hervorragender Gitarrist und Mundharmonikaspieler,

der seit einiger Zeit auch dem Keyboard Herr zu werden versucht,

und,

natürlich,

eine lebende Legende.

Ich hatte damals noch keinen PC, aber einen CD - Rekorder.

Es gab auch noch nicht viele Aufnahmen von mir.

Ein paar Instrumentals, die Proben von 1992 mit dem Mike,

das Demo von 1996 mit dem Micky und dem Rainer,

und die vom Jürgen Doser 1998 „live“ aufgenommene MD.

Immerhin.

Ich brannte aus einer Auswahl davon eine CD, die ich dann –

auf ein Lied von Dylan bezug nehmend, das ich sehr mag,

und in dem er postiert:

„No one can sing the Blues like Blind Willie McTell“

  • I’m not singing the Blues“ nannte.

Ich dachte, das wäre ein guter Witz,

obwohl es damals gar kein Witz war,

denn ich hatte in meinem Repertoire noch keinen Blues.

Ich schrieb, wie so oft,

einen handschriftlichen Brief dazu, obwohl ich eine Schreibmaschine besaß,

und machte ein hübsches Päckchen daraus.

„For Robert Zimmermann“ schrieb ich drauf.

Den so heißt Bob Dylan ja in Wahrheit.

Ich dachte: „... vielleicht nimmt der Künstler es ja persönlich, wenn ich ihn

persönlich anspreche, es kann ja sein, dass er als Privatmensch mit

Bob Dylan“ nichts zu tun haben will, so was soll nämlich vorkommen,

wenn es sich um lebende Legenden handelt.

Es war also ein Geschenk für ihn persönlich.

Und der Tag des Konzerts sollte kommen.

 

Ich machte mich mit der Straßenbahn zeitig auf den Weg Richtung

„alte Stadthalle“. Dort angekommen, sah ich schon die Trucks.

Viele Leute waren noch nicht da, das Konzert fand ja am Abend statt,

und es war ja noch später Nachmittag.

Ich begab mich, mit dem Geschenkpäckchen für Dylan in der Hand,

hinter das Gebäude, wo die Trucks standen.

Dort erblickte mich ein gut gekleideter Mann, der ziemlich wichtig aussah.

Er kam auf mich zu und berührte mich ungefragt am Arm,

um mich gewaltsam aus der Nähe des Busses, dem er entstiegen war,

zu entfernen. „You don’t have to push me, I’ll be leaving anyway,

I just wanted to ask, if there’s a possibility to hand this to Mr. Dylan !”

sagte ich.

“No. You’re not welcome. Just get away !” sagte er unwirsch.

Ich sagte “No Problem, okay !”, befreite mich von seinem Griff

und lief schleunigst Richtung vorderer Seite der Halle, das Päckchen

immer noch in der Hand. Ich dachte an John Lennon.

Ich war dem Mann nicht böse, denn vielleicht hatte er auch an Lennon gedacht.

Aber natürlich war ich abgetörnt. Man kann anders miteinander reden.

Ich dachte: „Nun. Dies ist ein Geschenk. Ich gebe der Sache noch eine Chance,

wenn die nix bringt, dann bekommt Dylan es eben nicht.

Ich guck mal, ob ich jemanden vor der Halle erwische, der zum Team gehört, aber mehr als eine

zweite Ablehnung brauche ich nicht, um wieder zu verschwinden.“

 

Und dann kam es zu einer wunderbaren Begegnung.

Ein paar Leute standen inzwischen schon mit mir vor der Halle,

darin war rege Beschäftigung. Einer der Roadies aus Dylans Crew,

deutlich zu erkennen an den Materialien, die er in den Händen trug,

verließ durch eine der vorderen Türen kurz die Halle.

Ich ging schnurstracks auf ihn zu und erzählte ihm in Kürze, was ich gerade erlebt hatte,

und fragte ihn, ob es wirklich keine Möglichkeit gäbe, Herrn Zimmermann

Mein Geschenk zu überreichen.

Ich erzählte, dass ich selber Musiker bin,

und dass darin nur ne CD mit eigenen Songs ist, ein kleiner Brief dazu.

Ich sagte auch, dass ich an Lennon denken musste, und dass ich Verständnis habe,

wenn eine lebende Legende so abgeschirmt wird,

aber ich wolle nur ein Geschenk machen, keinen persönlichen Kontakt.

„I’m sorry“ sagte er, sehr freundlich, „no.“, lief mit den Materialien in der Hand in

Richtung der Trucks und kam dann, überraschend, wieder zu mir.

Es entwickelte sich ein ganz tolles Gespräch.

Er war nicht mehr der jüngste und erzählte mir, dass er schon lange mit Dylan

unterwegs sei, viele Jahre, und dass sie sich gut kennen.

Und er begann, mich

über das, was ich mache, ein wenig auszufragen.

Ich erzählte und sein Interesse wuchs. In mir wuchs der Gedanke, dass seine

Fragen kein Zufall seien. Ich hatte das Gefühl, dass er am „Abchecken“ war.

Am „Abchecken“ für Dylan selbst. Und deshalb wartete ich darauf, dass er

von der Ablehnung, die ich ja auch durch ihn bestätigt bekommen hatte, abrücke.

Denn ich hatte sie nun mal bekommen... und ich bin da sehr hart im Nehmen,

allerdings auch im Geben, denn „Nein“ heißt „Nein“ und „Ja“ heißt „Ja“.

Mir genügte es längst voll und ganz, mit diesem Mann zu sprechen.

Für mich hatte sich die Fahrt an die Stadthalle längst gelohnt.

Irgendwann musste er natürlich zurück in die Halle, aber er hatte sich sehr viel Zeit

für mich genommen.

 

I’m sorry, I’ve got to go back now. See you later” sagte er im Gehen.

Do you really believe you’re going to see me again ?“

“Sure !”

Das war sein letztes Wort an mich.

Und er sollte sich irren.

Nun, es kann ja sein, dass er meinte, ich würde ins Konzert gehen.

Ich aber hatte das Gefühl, dass er gleich wiederkommen wollte.

Und zwar, um mich dann zu Herrn Dylan zu geleiten.

Und das fand ich amüsant, denn ich hatte daran keinerlei Interesse mehr.

Ich hatte zwei Mal ein „Nein“ bekommen.

Er hätte dieses „Nein“ noch korrigieren können, tat es aber nicht.

Ich glaube, dass er mich überraschen wollte.

Bei dem, was er mir erzählte, war deutlich geworden, dass er mehr war als nur ein

Roadie von Dylan, er war ein Freund des Künstlers und nur noch dabei, weil er ihn

nicht alleine lassen wollte in diesem ganzen Zirkus.

Und dieser Freund wollte, davon bin ich überzeugt, sowohl mir als auch der

lebenden Legende eine Freude machen, als er da wieder verschwand.

Mir aber hatte er bereits eine große Freude gemacht,

ich machte mich zügig auf den Weg Richtung Strabahaltestelle,

öffnete dort das Päckchen, nahm den Brief heraus und warf ihn in den Papierkorb.

„Jetzt ist er wieder vor der Halle und sucht mich, um mich zu Dylan zu bringen“,

sagte ich mir. Und dachte an ein anderes Lied aus der Feder des Meisters, das ich

sehr mag. „I believe in you“. 

 

Schade, dass Sinead O’Connor das bei dieser

komischen Jubiläumsfeier nicht wie geplant gesungen hatte, sondern sich

lieber hat ausbuhen lassen wegen irgendsoeinem zerrissenen Foto.

Blödes Publikum.

„War“ von „Marley“ ( eigentlich ein Text des alten äthiopischen

Kaisers, aber wir kennen’s nun mal von einem anderen Bob ) war doch auch gut,

und das auch noch A Capella !

Aber sicher wäre „I believe in you“ besser gewesen.

Darin ist vom Stolz des Herrn die Rede.

Dieser Stolz wird ausdrücklich bewundert und der Herr mit ihm gelobt.

„Es ist genau derselbe Stolz, dem Du jetzt begegnest, Robert“ sagte ich mir, als ich

in die Straßenbahn stieg.

 

Der Roadie war inzwischen sicher wieder zu Dylan zurück, um ihm

mit Schulterzucken zu berichten, dass ich nicht mehr da war.

Er war sich eben zu sicher gewesen.

Er hatte nicht mit dem Stolz des Herrn gerechnet.

Ich bin ja der Herr Lenz.

Nicht Jesus, aber immerhin.

Aber da dieser Stolz bei Jesus ja Anlass genug zum Lob für Dylan war,

dürfte der sich darüber nicht aufgeregt sondern gefreut haben,

als wäre es ein Geschenk gewesen.

Er darf sich auch noch heute darüber freuen.

Ist vielleicht doch besser als das, was ich für ihn vorbereitet hatte.

Ich glaub ja nicht, dass dem Robert Zimmermann irgendwas fehlt.

Die CD hat später, viel später, ein ehemaliger Schulkamerad bekommen, der

In einer Parallelklasse auf der Realschule war und als selbstständiger

Handwerker arbeitete, wenn auch nicht als Zimmermann

(Er ist leider inzwischen verstorben).

 

Mir genügt ein „Nein“. Man kann es zwar korrigieren, aber man sollte es rechtzeitig

Tun. Es tut mir Leid für Bob Dylan. Er hätte ja nicht nur mein Geschenk bekommen,

nein, er hätte mich auch persönlich kennen lernen können.

Es tut mir aber noch viel mehr leid für Bob Dylan’s Roadie.

Der war wirklich prima. Ein richtiger Freund, das sollte Dylan wissen, wenn ihm mal

wieder bei der Frage, wer denn einer für ihn ist, „schlecht werden“ sollte,

wie ich mal bei einem Interview von ihm lesen konnte.

 

Später, als sein Freund – noch einer – Van Morrison nach Freiburg kam, war es

kein Problem, ein Geschenk von mir abzugeben, obwohl der auch eine lebende

Legende ist.

Aber da war ich sowieso im Konzert. Van Morrison ist schließlich “Gott”,

und wenn der sich mal die Ehre gibt, in meine Geburtstadt zu kommen,

muss ich natürlich hin, egal, wo ich das Geld dafür auftreiben müsste.

Wer rechnet schon damit ? Da kommt dieses Jahr sogar der Papst zu spät.

Der kann ja, wenn er will, einen Abstecher bei mir daheim machen.

Wenn ich da bin können wir uns kennen lernen.

Wegen „Gott“ war ich ja 1990 extra nach Paris gefahren, um ihn dort

„wenigstens ein Mal im Leben live zu sehen“.

Ich saß dort, im Olympia, direkt vor ihm in der ersten Reihe,

und bei „Vanlose Stairway“ schaute er mir in die Augen.

„That’s for YOU !“ sagte er, „Gott“, zu mir, griff in seine rechte Hosentasche,

zog von dort eine Bluesharp raus und setzte sie sich an die Lippen,

um voller Inbrunst reinzublasen.

 

Für mich.

Bei „Vanlose Stairway“. Ich liebe „Vanlose Stairway“.

Später brachte er bei dem Konzert noch, bestens gelaunt,

seine „Kultversionen“ von „Bueno Sera, Senorita“ und „Send in the Clowns“,

das eine nur mit Mühe und das andere gar nicht auf CD zu bekommen.

Und bei „Caravan“ baute er „Sex Machine“ ein. G E I L !

Da muss man dann hinterher nicht mehr auf Bob Dylan warten.

Und der muss mich nicht kennen lernen, denn er ist mit „Gott“ befreundet.

Nein, es ist wunderbar, dass ich Bob Dylan’s Roadie kennengelernt habe !

 

Rupert 18.3.2011


 

Eine Erinnerung an 

Daliah Lavi 

(12.10.1942 - 03.05.2017)

 

 

1971.

Als Kind mit 6 Jahren liebte ich Daliah Lavi mehr als man es sich für einen

kleinen Jungen, der gerade eingeschult worden war, vorstellen kann.

Für mich war sie zuallererst eine Sängerin, ihre Schauspielkünste entdeckte

ich für mich erst viel später, da wir uns gerade erst einen Fernseher angeschafft hatten...

zunächst aber kannte ich ihre Stimme nur aus dem Radio,

und als ich sie dann im TV (schwarz-weiß von Grundig !) dazu sah,

war ich vollkommen geflasht, ich wusste überhaupt nicht, wie mir geschah !

Ihr wunderbares Gesicht, ihre makellose Erscheinung, ihre rauchige Stimme...

und dazu Lieder, die ich sowieso liebte, vor allem „Jerusalem“ und „Karriere“,

aber auch „Willst du mit mir geh'n“, „Wer hat mein Lied so zerstört, Ma?“

und später die formidabel gelungene Eindeutschung des Gordon Lightfoot-Klassikers

„If You Could Read My Mind“ aka „Wär' ich ein Buch“... waren alles Favoriten von mir,

das Radio in der Littenweilerner Küche ohnehin ein Zauberkasten,

und der nächste Zauberkasten – den ich dem Fernseher bei weitem vorzog -

hatte „Plattenspieler“ geheißen. Der war so ein kleines, kompaktes Teil von Phillips

mit kleinem, eingebautem Lautsprecher im Deckel und einem rotem, runden Zwischenstück

für die Singles. Papa kaufte Heino – von dem vorrangig Singles ! - , LPs mit

Blas- und Marschmusik (ich erinnere mich an den „Großen Zapfenstreich“ !), Ernst Mosch

und seine Egerländer Musikanten, Slavko Avsenik mit den Oberkrainern und,

den mochte er besonders gerne, Franzl Lang, eine Art Jodelkönig.

 

Aber eigentlich nahmen mein älterer Bruder und ich den Plattenspieler bald für uns und unsere Singles in Beschlag,

ich erinnere mich noch genau, wie er mit „Metal Guru“b/w“Lady“

von T.Rex nach Hause kam und ich bei dieser, meiner allerersten Begegnung mit so völlig anders als Schlager klingenden Musik

eine Offenbarung erlebte... ich verstand zwar kein Wort,

aber das war egal, für mich war es eine faszinierende Lautmalerei, und die Tatsache,

dass man mit so Singles ein Lied so oft abspielen und hören konnte, wie man wollte,

dass man, wenn man was mochte, nicht darauf warten musste, bis es zufällig im Radio gespielt wurde – die führte dazu,

dass ich unbedingt auch eine Single haben wollte,

nämlich „Jerusalem“ von Daliah. Die liebte ich nämlich trotz T.Rex und Alice Cooper

etc noch immer mehr als alles andere und „Jerusalem“, das war mein Lieblingslied.

 

Also lag ich meinem Papa in den Ohren... „Du musst mir unbedingt „Jerusalem“ von Daliah Lavi

als Single mitbringen, wenn Du von der Arbeit nach Hause kommst, hitte, bitte !“.

Naja, erstmal vergaß er es wieder, denn er musste dazu einen kleinen Umweg machen,

wenn er aus der Bank, in der er arbeitete, gleich via Strassenbahn vom Bertoldsbrunnen

nach Hause wollte... oder, was gar nicht so selten vorkam, er machte einen anderen Umweg

über eine bevorzugte kleine Kneipe in Bahnhofsnähe, in die er mich später auch gerne mal mitnahm

(zufällig ist da heute immer noch eine kleine Kneipe drin, und diese ist ein bevorzugter 

Aufenthaltsort von unserem Fußballbundestrainer und Weltmeister Jogi Löw...),

und dann vergaß er die Single von Daliah erst Recht, wenn er endlich daran dachte,

dass es endgültig Zeit wird, zu Ehefrau und Kindern (plus seiner Mutter,

die wohnte damals auch bei uns !) nach Hause zu kommen. Ich bin mir sicher,

dass es auch noch „weitere Umwege“ gegeben hat, die er dann doch lieber für sich behielt,

meiner Mutter langte ja schon diese eine Kneipe, von der sie wusste...

und deren bloße Namenserwähnung bei ihr bereits zu Verstimmungen führen konnte.

Ich glaube, sie hieß damals wie der dicke Bruder von Little Joe Cartwright aus „Bonanza“:

Sie hieß „Hoss“. Zum mit „seiner Daliah-Single“ immer mehr nervenden Rupert

kam für meinen Papa dann auch gerne die Stimme meiner Mutter dazu,

die dezent ironisch und dabei leicht vorwurfsvoll ein

„Ach, Papa war doch bestimmt wieder beim Hoss !“ für ihn antwortete,

noch ehe er zugeben konnte, dass er die Single mal wieder vergessen hatte.

 

Nach ca. 2 Wochen wurde ihm das dann doch zu peinlich.

Er ging zum Woolworth, suchte und fand eine Single namens „Jerusalem“ von Daliah Lavi,

und brachte sie mir stolz mit nach Hause. Worauf er nicht geachtet hatte, war...

dass da auf der Hülle derselben, durch einem kleinen Kreis umrandet, stand: „Englische Originalversion“. 

Es war nicht die Aufnahme, die ich aus dem Radio kannte und daher auch

erwartet hatte, aber Papa hatte Glück, von mir gab es keine Klage zu hören, denn...

das fand ich noch besser. Ich fand es so gut, dass ich es bald auswendig mitsingen konnte,

ohne auch nur ein Wort außer „Jerusalem“ zu verstehen.

„Jerusalem“, das wusste ich, war die Hauptstadt Israels, der Heimat meiner heißgeliebten Lieblingssängerin. 

Irgendwo weit fort war das, aber nicht so weit, dass Daliah nicht doch

immer wieder nach Deutschland kam, um hier bei uns aufzutreten und zu singen.

In Fernsehsendungen zum Beispiel... und da ich nicht der größte Fernsehgucker in der Familie war,

musste Mutter mich meistens ins Wohnzimmer rufen, wenn „Daliah kam“.

Ich war dann auch immer ganz schnell da, denn die wollte ich nicht verpassen,

egal, wie wenig mich die Sendung ansonsten interessierte.

Ich lebte eigentlich lieber in meiner eigenen Welt, so als Sechsjähriger,

musste den Kulturschock namens Schule zu Hause erstmal kompensieren

- einen Kindergarten hatte ich nie von Innen gesehen, sodass die Umgewöhnung

ziemlich radikal ausfiel ! - und malte, spielte, träumte in der mir verbleibenden freien Zeit

nach den Hausaufgaben umso mehr.

Dass Daliah aber nicht nur in so Fernsehsendungen auftrat sondern ganze Konzerte gab,

bei denen sie nicht bloß ein, zwei ihrer Lieder sang, sondern als einziger Star im Mittelpunkt stand,

das musste mir mein Bruder erklären, als plötzlich Plakate von ihr in der Stadt hingen.

 

Daliah sollte nach Freiburg kommen ! Und damit quasi zu MIR ! Unglaublich... ich war fertig,

konnte das gar nicht so richtig glauben.

Dabei erklärte mir mein Bruder auch gleich den Unterschied zwischen „Live“ und „Playback“.

Und auf den Plakaten stand, dass sie mit eigener Band live auftreten würde,

in der heute „alten“ Stadthalle am (wiederum heute „alten“) Messplatz.

Da gab es also einen Tag, an dem sie, meine Göttin aus Israel, hier sein wird,

ganz nah, zum Anfassen nah, da singt sie dann über eine Stunde (so die Mutmaßung meines Bruders) wahrscheinlich alle Lieder,

die ich von ihr mag, und ich bin sechs Jahre alt,

kann da nicht einfach so hin, muss aber dort sein, muss hin, koste es, was es wolle...

tja, bezahlt werden mussten die Tickets ja auch von irgendwem,

man kam da nicht einfach so rein, weil man noch ein Kind ist...

nun, Vater hatte keine Zeit, Oma hatte keine Lust, auch der große Bruder war noch nicht alt genug,

um ohne Erwachsenenbegleitung da mit mir hinzugehen...

es blieb also an meiner Mutter hängen und bezahlen durfte natürlich der Papa.

 

Der große Tag rückte immer näher und ich wurde immer aufgeregter.

„Wieviel mal schlafen noch ?“...

Mein Bruder erzählte, dass die meisten Künstler nach dem Konzert noch Autogramme geben...

und dass ich mir unbedingt eins von Daliah holen soll, wenn ich schonmal dort bin.

„Was ist ein Autogramm ?“...

„Eine Unterschrift, ihre Unterschrift... manchmal, oft sogar, gibt es die mit einem Bild,

aber man kann sie sich auch auf einen einfachen Zettel Papier schreiben lassen,

oder auf den Arm, aber das ist keine so gute Idee, denn dann verschwindet das Autogramm wieder,

wenn Du Dich dort wäschst...“.

Klar wollte ich auch unbedingt so ein Autogramm haben, am Besten mit Bild,

denn sie war ja... unglaublich schön... und als mir klar war, dass man dazu wirklich

ganz nah an sie ran kommt, ran muss, dachte ich dran, wie Papa der Mama immer mal wieder

Blumen mit nach Hause brachte... und sei es, um das mit dem „Hoss“ irgendwie vergessen zu machen.

Wenn ich ganz nah an sie ran komme, um mir etwas von ihr zu holen,

dann kann ich doch womöglich auch... ganz nah an sie rankommen, um ihr etwas zu geben !

 

Klar, im Fernsehen bekamen die Stars vom Publikum auch immer wieder Blumen,

so wie die Mama vom Papa. Der Daliah auch von mir was GEBEN, geben KÖNNEN,

das war ja unglaublich ! „Ich will ihr einen Blumenstrauß geben, Mama !“.

„Wieso ein ganzer Blumenstrauß ?“ „Weil ich sie lieb habe wie der Papa Dich lieb hat !“.

Mutter lächelte...: „Dann schenkst Du ihr am besten eine einzelne, rote Rose,

denn das heißt so viel wie ich hab' Dich lieb !“. 

Ich wunderte mich ein wenig, wieso Papa der Mama dann immer gleich ganze Blumensträuße schenkte,

wo doch eine einzige, rote Rose bereits das Wesentliche sagte,

aber die Erwachsenen soll ja verstehen, wer will, hauptsache Daliah versteht,

dass der Rupert sie lieb hat.

Papa sprach, wenn ich von ihr schwärmte, immer was von einem

„Rasseweib“, und dass mein Geschmack mir mal gefährlich werden könnte oder irgend so was,

was ich überhaupt nicht verstand, aber er grinste dabei und blinzelte mir zu,

also dachte ich, dass er eben Spass macht und nahm das nicht so ernst.

 

Aber eine rote Rose, die ich ihr beim Konzert auf die Bühne bringen wollte,

wurde natürlich auch rechtzeitig besorgt, als es dann so weit war.

Ich konnte die Nacht vorher wirklich kaum schlafen, so aufgeregt war ich.

Und es stand ja auch wirklich eine große Herausforderung vor mir, denn ich war...

dermaßen schüchtern, dass es mir plötzlich erschien, als hätte ich mir da echt zu viel zugemutet.

Also mit Mama in die Stadthalle und mich dort ins Publikum setzen,

um die Musik zu hören und die Angebetete in echt zu sehen,

das ging ja grade noch, aber irgendwann dann aufzustehen, vor zu gehen,

auf die Bühne zu ihr... vor all den Leuten... ja, vor lauter „Daliah, Daliah, Dailah !“

hatte ich nicht an die anderen Leute gedacht, und die waren zahlreich erschienen.

Das Konzert war, von Beginn an, prima. Ganz toll sang sie, ganz toll sah sie aus,

es klang auch wirklich anders als auf Platte denn es war alles live,

und meine Lieblingslieder kamen auch alle irgendwann an die Reihe,

aber ich geriet ins Schwitzen. Je länger das Konzert dauerte, umso unruhiger wurde ich,

denn irgendwann nun musste ich es wagen, sonst würde die Show ja vorbei gehen,

ohne dass ich die rote Rose, die Mama für mich bei sich verstaut hatte, persönlich

auf die Bühne brachte und dieser anbetungswürdigen Naturgewalt da vorne überreicht hätte.

 

„Jetzt, Mama ?“ „Wenn Du willst... aber Du musst das alleine machen, ich gehe nicht mit Dir

auf die Bühne rauf, ich begleite Dich nur mit vor und warte dann am Rand auf Dich !“.

Auweia. Aber es war Daliah und der Plan musste umgesetzt werden:

Erst während des Konzerts die Rose überreichen und dann, danach, wenn sie kommen

und Autogramme geben sollte, mir auch noch eins für mich abholen.

 

„Denk an den Sportunterricht, Rupert, der geht ja auch vorbei, und das da oben ist

nicht die Sportlehrerin, die du eh nicht magst, nein, das ist die echte Daliah Lavi,

und wenn Du Dich bei der nicht traust, obwohl Du spürst, dass sie ein ganz lieber Mensch ist,

dann hast Du sie auch nicht richtig lieb.

Es sind ja auch viel mehr die vielen Leute,

die zugucken, die Dich stören, mit Daliah allein zu sein, das wäre bestimmt was anderes.

Was geht denn die Leute überhaupt an, dass ich sie lieb hab ?

Klar, sie können, sie sollen es sehen, es sollen meinetwegen alle wissen,

ich schäme mich ja nicht dafür... bin ja auch nicht der Einzige, bestimmt nicht,

ist ja logisch dass diese Frau von so vielen wie nur möglich geliebt werden muss,

aber als sechsjähriger Junge bin ich eben trotzdem eine Ausnahme“...

so in etwa denke ich heute, dass ich damals gedacht haben muss,

aber natürlich weiß ich das nicht mehr so genau.

Ich war wirklich eine Ausnahme gewesen, denn es waren gar nicht viele Kinder da, 

auch die Klassenkameraden in der Schule

hatten höchstens mal „nicht schlecht“ gesagt, aber so wie ich... liebte sie offenbar keiner,

das müssten dann eher erwachsene Männer sein, die keine eifersüchtige Frau daheim hatten.

Ich war aber noch nicht erwachsen und hatte auch nicht vor, es so schnell zu werden,

ich hatte für den Moment nur eines vor: Meinen Plan (Teil eins) endlich in die Tat umzusetzen

und dann so schnell wie möglich wieder auf meinen Platz zurück zu kehren.

„Hier hast Du die Rose, jetzt mach schon, ich bleibe mit etwas Abstand hinter Dir !“

hörte ich meine Mutter nun sagen, sie lächelte dabei... „Nur Mut ! Sie wird Dir schon nix abbeissen !“

 

Und da war der Rupert, mit Schweiß auf seiner Stirn und der roten Rose in der rechten Hand,

auch schon unterwegs nach vorne... unterwegs zu ihr... ein Wunder, dass ihm die Rose nicht aus der Hand fiel,

denn sein Herz... es rutschte ihm in die Hose, und zwar volle Kanne.

Bin mir fast sicher, dass ich – wenn nicht Mutter quasi als Antreiberin hinter mir her gelaufen wäre - geradewegs

wieder zurück auf meinen Sitz marschiert wäre, aber das ging nicht, also bin ich im selben Blitztempo eben nach vorn,

bis ich plötzlich auf der Bühne rechts neben ihr stand,

sie winkte mich näher zu sich, ich kam näher, ich kam ganz nah, 

streckte derweil meinen rechten Arm zu ihr aus, denn in der dazugehörigen Hand war ja die Rose,

die sollte sie nun unbedingt nehmen ehe es zum Crash kommt,

da, sie strahlt mich an, sie lächelt übers ganze Gesicht und ergreift die Rose,

bloß nicht noch näher kommen, die Leute lachen ja schon,

nix wie umdrehen, kehrt machen und weg hier... verdammt, die Leute lachen immer lauter,

sie lachen mich womöglich aus, ich muss hier wirklich schleunigst weg, sorry Daliah.

 

Wie gemein doch die Leute sein können, war denen etwa nicht klar, dass ich aufgeregt bin,

dass ich Angst bekam nur wegen dem Lachen ? Ich war sowieso viel zu nahe bei Daliah gewesen,

als sie endlich die blöde Rose nahm war es für mich wie eine Erlösung, ich hätte ja sonst noch näher kommen müssen, 

so wie sie drauf war... dass ich nicht laut um Hilfe gerufen habe war alles !

Aber meine Stimme blieb mir sowieso komplett weg, ich hätte weder was sagen und schon gar nicht was schreien können,

wenn ich denn gewollt hätte. Was hatte ich gewollt ?

Ich wollte ...doch nur die Rose abgeben ! Das war getan, nun sollten sie mich alle in Ruhe lassen,

da steht Mami, sie lacht auch, wieso nur....

ich schau sie streng an und nun nix wie zurück auf unsere Plätze.

Unglaublich, wie man sich auf so einem Sitz vor der Menge verstecken zu können glaubt,

in der man sich befindet, aber es funktionierte. Mutter versuchte, mir etwas ins Ohr zu flüstern,

aber ich wehrte ab, das Konzert ging schließlich weiter und ich konnte ihr Genuschel

sowieso nicht verstehen aber wollte die Musik hören.

Die half mir jetzt am Besten, diesen peinlichen Moment gerade irgendwie zu verdauen.

Daliah hatte mir bestimmt nichts krumm genommen und alle anderen interessierten mich

dann schnell auch nicht mehr, die sollten ja auch der Musik zuhören,

wegen der waren wir ja alle da.

Als Daliah schließlich, mit den Zugaben, auch wirklich alle Lieder gesungen hatte,

die ich auch nur irgendwie von ihr kannte, und ein paar mir unbekannte noch dazu,

war das Konzert dann vorbei. Und Teil 2 des Plans stand ja noch aus,

der Rupert wollte sein Autogramm !

 

Und Daliah kam tatsächlich, nach einger Zeit und bei hellem Saallicht,

wieder heraus, um Autogramme an die wartenden Fans zu geben,

aus dem zuvor übriggebliebenen Pulk formierte sich nun eine lange Schlange,

und in diese reihten Mutter und ich uns ein.

Aber zuvor erzählte sie mir noch, weshalb die Leute im Publikum so gelacht hatten:

Daliah wollte mich umarmen, mir einen Kuss geben, aber der sich umdrehende Rupert

ließ ihr dafür keine Chance. Sie machte für's Publikum eine Show draus,

von der ich gar nichts mitbekam, spielte die Geliebte, die von mir verlassen wird,

bettelte mit Gesten, flehte quasi mit ihren Armen

hinter mir her, aber musste mich gehen lassen, nichtmal einen Kuss konnte sie mir geben.

Okay, dafür hatte ich ja meine Rolle dann perfekt gespielt... ;-) !

Immerhin hatte das Publikum mich nicht ausgelacht, wenn überhaupt,

dann lachten sie über uns beide, weil die Göttin einen Scherz machen musste.

Wer nun aber glaubt, sie hätte ihren Willen nicht bekommen,

sie hätte mich nicht doch noch geküsst, der irrt sich gewaltig,

denn keiner konnte mit dem rechnen, was dann noch geschah...

weil ich ja noch ein Autogramm von ihr wollte. Unbedingt !

Und während wir so anstanden, meine Mutter und ich, und uns ganz langsam

in der Schlange vorwärts bewegten, hatten die Roadies bereits begonnen,

die Bühne (und Bühnenbeleuchtung) abzubauen.

Einer von ihnen stand plötzlich dicht neben mir, er transportierte eine Eisenstange bzw ein Rohr

von nicht unerheblicher Länge, Dicke und Schwere,

hielt das Ding fest zwischen Oberarm und Schulter,

sodaß es sich, als ich direkt nach oben sah, genau über mir befand.

 

Bei vielen Gedanken, die ich hier aufgeschrieben habe, handelt es sich ja nicht

um das, was ich tatsächlich damals gedacht habe, da das alles viel zu lange her ist

und ich's einfach nicht mehr weiß, ich wollte einfach nur die Geschichte für den Leser

so lebendig wie möglich nacherzählen. Aber was ich damals in dem Moment,

als ich nach oben sah und dieses Rohr in etwas wackliger Position erblickte,

dachte, das weiß ich noch ganz genau, denn irgendwie...

hatte ich damals bereits einen sehr seltsamen Humor, 

und dieser Humor sollte mich mein ganzes Leben lang nicht mehr verlassen.

Die Ironie, ob nun auf eine Situation bezogen, auf eine Imagination,

auf mich selbst oder auf andere... sie war damals schon ein ausgeprägter Wesenszug,

denn ich dachte – wörtlich und mit diesem Rohr direkt über meinem Kopf ! - folgendes:

„Das wär' jetzt aber ein lustiger Zufall, wenn der das Rohr ausgerechnet jetzt

fallen lässt“. Meinen Humor muss man haben, erst Recht, wenn so etwas, wenn

das dann auch ganz genauso geschieht... wie von meinen Gedanken dazu aufgefordert

nämlich löste sich das Rohr aus dem Griff des Mannes, um im direkten Fall meinen Kopf

zu touchieren ! Der Roadie fing es zwar so schnell er konnte wieder auf und verhinderte damit

Schlimmeres, aber ich begann, zu bluten: Platzwunde.

Man kann sich vorstellen, wie entsetzt und besorgt meine Mutter war.

Ich musste schleunigst in den Rot Kreuz-Raum, wo mich Sanitäter untersuchten.

So ein Mist ! Ich wollte „mein Autogramm“ und nun passierte so was.

Nachdem die Sanitäter meine Platzwunde genäht und die Mutter beruhigt hatten,

scheuchte ich sie aus dem Raum, damit sie mir doch noch das Autogramm besorge:

„Autogramm ! Autogramm !“ !!!!!

Meine arme Mutter irrte, nachdem sie sah, dass da keine Schlange und auch keine Daliah mehr

am Autogramme Geben war, durch den Backstagebereich der Stadthalle und

kämpfte sich tatsächlich bis zu Daliah Lavi durch:

„Mein Junge ! Der Bub, der Ihnen die Rose brachte ! Er liegt verletzt im Rot-Kreuz-Raum

und will unbedingt noch ein Autogramm von Ihnen !“

 

Yep, da lag ich und wartete, harrte der Dinge, die da auf mich zukamen.

Und sie kamen:

Zwei besorgte Amazonen, für die in diesem Augenblick nichts und niemand wichtiger war

als... ich... und die niemand aufhalten konnte. Daliah Lavi und meine Mutter, im Doppelpack,

stürmten den Rot-Kreuz-Raum um sich um mich zu kümmern.

Nie im Leben werd' ich das vergessen, quasi die zwei wichtigsten Frauen in meinem Leben

auf ein Mal und ich bin ihnen ausgeliefert, ich liege hilflos da... lol.

Meine Mutter war immer noch dabei, der guten Daliah verständlich zu machen,

was passiert war. Daliah aber... sie war nicht zu halten, als sie mich sah.

Sie drückte mich an sich, schmutzte mich von oben bis unten ab, fand fast kein Ende

mit ihren nassen Küssen, solche, wie ich sie eigentlich von Omis und Tanten hasste, aber

Daliah... durfte natürlich alles. 

Sie hätte dabei auch fast noch vergessen, mir das gewünschte Autogramm zu schreiben,

derart echauffierte sie sich. Und für mich war irgendwie...

Weihnachten, Ostern und Geburtstag an einem Tag/Abend, denn, meine Damen und Herren,

das war Daliah Lavi, eine der schönsten Frauen auf diesem Planeten, für mich damals DIE schönste überhaupt, 

und sie kam zu mir und konnte sich fast nicht mehr losreissen:

„In drei Tagen ist alles wieder gut !“ versuchte sie, mich auch mit Worten zu trösten.

Immer wieder sagte sie das, während sie mich mit Küssen benetzte !

 

Ey, Daliah war meine Göttin, ich musste ihr das glauben, und schon allein dadurch sollte es sich

als wahr erweisen: Nach drei Tagen spürte ich nichtmal mehr das leichte Ziehen,

das mich zuvor noch geplagt hatte. Sie konnte zaubern, das war klar.

Und das Autogramm – mit persönlicher Widmung: „to Rupert“ und mehreren „x“-Küssen ! - 

ich habe es heute noch, auch die Single von „Jerusalem“, meine allererste Schallplatte,

obwohl ich das Cover später auf Extrapapier zusammenkleben musste und das Vinyl einen Riss hat.

Ich schaffte es immerhin, mir die A-Seite auf CD zu ziehen, aber mittlerweile kann man sie

gar nicht mehr abspielen. Es gibt zwar eine Englische Version von „Jerusalem“ auf Daliah's letztem Studioalbum und damit auch

auf CD, aber die alte Aufnahme ist doch die bessere,

und die ist bisher leider nicht auf CD erschienen.

Wenn ich aber die nicht bekomme, fange ich erst gar nicht an, mir CDs von Daliah zu kaufen.

Immerhin kamen ein paar Originalalben raus, als sie ihr Comeback hatte bzw. zur Abschiedstournee,

weitere waren damals geplant, sind dann aber doch nicht erschienen.

 

Ich habe diese Frau immer geliebt, ich werde diese Frau immer lieben.

Ich habe damals ja überhaupt nichts von Liebe gewusst,

Gefühle von Verliebtheit kannte ich ebenso wenig wie ich mit 6 Jahren auch nur

eine Ahnung hätte haben können von Sexualität.

Aber diese Frau mit ihrer Aura, ihrer Stimme, ihrer Weiblichkeit, Sensibilität

und bis heute für mich unbegreiflichen Schönheit

(man sehe sich nur mal ihren Auftritt mit „Wär ich ein Buch“ in der alten „Starparade“

mit Rainer Holbe an !:),


sie berührte mich bis tief in meine Kinderseele,

rief in mir eine Form der Hingabe hervor, die durchaus religiöse Züge hatte,

und auch wenn sie in späteren Jahren arg knochig und abgemagert erschien,

sie blieb immer eine ganz besondere Frau, eine Schönheit mit großer Würde und

Natürlichkeit, die mit der Reife auch zur richtigen Dame geworden war.

Und so zerbrechlich diese Dame zuletzt auch erschien,

sie war auch immer eine richtig starke Frau.

Ihr "Comeback", produziert von Dieter Falk, war außerdem

ein weiterer "Beweis" dafür, dass der "Deutsche Schlager"

nicht zwangsweise für "inhaltsfreien, realitätsfernen Mist" steht,

sondern dass diese starke Frau ihrem höheren Anspuch

BIS ZULETZT treu blieb...

und ZURECHT damit Erfolg hatte.

Wirklich gute Unterhaltung eben, und für die braucht's Persönlichkeit:


Daliah Lavi war meine allererste Liebe,

die Engel im Reich des Vaters mögen sie umsorgen, beschenken und bedienen,

und ihr Herz möge den Frieden finden, den sie sich so dringend für ihre Heimat Israel

wünschte, ja, möge etwas aus dem Frieden, den sie bereits im Herzen trug,

dazu beitragen, dass es endlich Frieden im Nahen Osten gibt.

Die Worte des Englischen Textes von „Jerusalem“, ich verstehe sie natürlich längst.

Und seit ich sie verstehe, rühren sie mich zu Tränen.

Ich kann verstehen, dass sie dieses Lied – mit diesem Text, nicht dem deutschen -

unbedingt noch ein Mal aufnehmen musste.

Auch wenn sie längst ihr Glück in Übersee gefunden hatte,

ihre Heimat, die hat sie nie vergessen, oft genug beweint,

und ich bin mir sicher, dass sie dabei immer wieder bei denselben, simplen Fragen

angekommen ist:


„Wieso können Menschen nicht einfach als Menschen leben,

sich gegenseitig als solche akzeptieren und sowohl Frieden alsauch Freiheit

für sich und einander gemeinsam bewahren ?

Wenn das nicht geht,

nicht einmal in einem Land, in dem „Milch und Honig fließt“,

wie sollen die Menschen auch anderswo an den Gott glauben,

auf den sie sich berufen ?“

Ich glaube, dass Daliah tief in ihrem Herzen gewusst hat,

dass es ohne einen (echten) Frieden in Israel

auch niemals den dringendst benötigten

Weltfrieden geben wird, geben kann.

 

R.I.P. Daliah, may they (we !) put down the sword

that performed the slaughters...

where Jerusalem is.

 

In ewiger Liebe und Dankbarkeit ihr (und ihrer Familie) sowie meinen Eltern zugeeignet

Rupi am 21. Juli 2017


 ANHANG (2022)

Lang genug hat's ja gedauert...


Es ist ja nun schon einige Zeit lang her, dass ich über diese,

meine Begegnung mit Daliah Lavi als 6-Jähriger geschrieben habe.

Und ich muss zu meiner Schmach gestehen,

dass ich noch im Jahr 2017 meine "Prämisse" gebrochen habe,

mir auf CD nichts von ihr zu kaufen,

solange die Universal nicht die alten, englischen Aufnahmen von ihr veröffentlicht,

sodass ich u.A. meine allererste Single "Jerusalem" bekomme.

Ich sah, um die Weihnachtszeit, ein CD/DVD-Best of-Package (wohl im Mediamarkt) und griff zu!

"Nicht schlecht" dachte ich seither,

denn dort war immerhin die B-Seite "Before My Very Eyes" mit drauf.

Und viele schöne alte Lieder, aber von "Karriere"

leider "nur" die Neuaufnahme von 2008,

und da es sich hier abermals um eine Single-B-Seite handelte,

war die gewünschte Originalaufnahme seither für mich 

auch schwer auf CD zu finden

("Glanzlichter" ist auch längst vergriffen,

aber da war's damals mit drauf:)



Dieses Jahr wäre Daliah 80 Jahre alt geworden,

und wie durch ein Wunder ist es nun geschehen...

 die Universal brachte im Oktober nicht nur eine "Big Box" heraus,

auf der - zu annehmbarem Preis! - sämtliche 5 englischsprachigen Alben

plus einiges mehr auf CD vereint sind,

nein, nachdem ich im Überschwang meiner Freude nun nach weiteren CDs Ausschau hielt,

die eventuell DOCH z.B. "Karriere" noch mit drauf haben,

da staunte ich nicht schlecht, als ich DIES hier fand:

https://www.shop24direct.de/produkt/das-grosse-lebenswerk-2532930

Nun ist es wirklich nicht so, dass ich von solchen Angeboten normalerweise Gebrauch mache.

Aber wenn man berücksichtigt, dass sämtliche deutschen Originalalben

abgesehen vom großen Comeback "C'est ca la vie" schon längst

wieder gestrichen sind...

und dass ich damals als Kind sowieso nur Singles von ihr hatte...

und mal vergisst, dass 49.99 Euro plus Portogebühr

für solche alten Aufnahmen auch für eine 5-CD-Box ganz schön gepfeffert sind...

bleibt mir nur zu sagen, dass mir die Spucke wegblieb.


Wer war'n DAS?

Ich meine... mit MEHR Kompetenz hätte man dieses "Lebenswerk"

nicht kompilieren können, es ist, als hätte man es MICH tun lassen...

bei der Universal.

Von "Jerusalem" ist zwar die 2008-Neuaufnahme drauf

(und nicht jene, die ich nun via Youtube-Link von

genau der Single oben meinem Text vorausstellte),

aber die ist auch sehr gelungen weil allemal besser als 

die "deutsche Originalversion"!

Gut, das Album "Lieder des Lebens" (1990, als einziges nicht bei Universal oder EMI veröffentlicht!) 

ist (logischerweise!) nicht vertreten,

aber "Gospodin" und "Immer wenn es dunkel wird"...

dessen zwei "Singles", die hier als einziges "fehlen",

hätte ich sowieso nicht wirklich gebraucht.


Aber alles ANDERE... das ist wirklich 'ne sehr, sehr löbliche

Wahnsinnsarbeit, die irgendwie belohnt werden sollte.

Ich bin begeistert!

Und jedem, der noch nix von Daliah hat, aber sich was wirklich WERTIGES

in die Sammlung stellen möchte,

sei (von so nem alten Fachverkäufer!) gesagt:

Diese CD-Box erfüllt zu 100%, was die Werbung sagt.

Besser geht's nicht.

ZUGREIFEN!

Und eigentlich "braucht" man nicht mehr

(Anmerkung für die Nörgler: Die 3 Singles,

die sie in den 80ern für Ralph Siegel und dann Hansa aufnahm,

schon gar nicht... denn die waren der - vor allem produktionstechnische - Tiefpunkt!

Dann doch lieber Gospodin... oder, besser noch, Französisches wie Lorelei...).

Der Rupert halt braucht nun beide Boxen...

und hat seine Daliah Lavi-Sammlung auf einen Schlag komplettiert.

Danke.

Rupi am 06.11.2022


Edit: 

Nun, da ich die hier unentgeltlich von mir beworbene 5-CD Box "Das große Lebenswerk"

seit einiger Zeit besitze,

muss ich - trotz allem Lob für die Zusammenstellung! -

auch ein wenig Kritik anfügen,

denn das Booklet... es ist eine Enttäuschung,

die der Arbeit des Zusammenstellers/der Zusammenstellerin

(und auch dem wirklich hervorragenden Remastering!)

nicht angemessen ist...

und, bei dem Preis, auch eine Frechheit genannt werden darf.

Außer Komponisten/Texter/Erscheinungsjahr gibt es keinerlei Informationen,

nichtmal wer's zusammengestellt hat steht da irgendwo,

von der Künstlerin nur das eine (das Cover-) Foto

und über sie ebenfalls keine Informationen...

da hat man also leider an der falschen Stelle gespart.


Auch möchte ich nun hier

(...weil mit Daliah mein "Fansein" begann...

hätte es auch bei "Warum Barclay James Harvest" tun können... egal!)

ein etwas lang geratenes, neues Gedicht anfügen,

weil ich's nun mehrfach wieder vernahm,

wie Künstler sich distanzieren vom mutmaßlichen, eigenen "Fansein"...

und dieses Thema,

obwohl auch anderswo hier bereits angesprochen,

daraufhin explizit noch einmal abhandeln "musste".

Ich will damit ein für alle mal klar machen,

was ich von solchen Äußerungen halte

und meinerseits über diese "Künstler" denke...

weshalb man es auch gern ein "Schmähgedicht" nennen kann!


Das Imageproblem

(oder: „Vorbilder? Nein Danke!“)


Na klar

ich bin ein Fan

kann mich dazu bekennen

hab nicht – wie Du -

Probleme

mich auch so zu nennen

als müsst' ich mich

vom inn'ren Kinde

distanzieren

aus Angst man könnte denken

ich würd' ewig

pubertieren


Na klar

bist ein Genie

das soll man nicht vergleichen

willst nur

mit deinem eignen Kram

Erfolg erreichen

und hast du

doch bei wem

für dich was übernommen

ist's besser

wenn dir andre da

nicht auf die Schliche kommen


Jaja, ich weiß

Du sorgst dich

was die Leute denken

der Künstler

pflegt das Image

statt sich seins zu schenken

und außerdem

was lernt man schon

von anderen Meistern?

Das Vorbild steht im Weg

will man als solcher

selbst begeistern


Wie uncool auch

würd' man sich selbst

begeistern lassen

Verliebtheit zeigen

statt Gefühle

fort zu hassen

des Schwärmer's Glüh'n...

Erregung...

muss man niederringen

...zum Führer taugt nur

wer's versteht

die Schwächen zu bezwingen


Bewunderung wie

Dankbarkeit

sind nicht vonnöten

auch Gottes-

sowie Ehrfurcht

sind stets abzutöten

ein Gott

hat kein Idol

drum kann er selbst eins werden

und demütigst dann

folgen dir

die dummen Menschenherden


Und ja

wer dir dann huldigt

ist nicht mehr zu retten

dass du

die eignen Fans hasst

...darauf kann man wetten

wie peinlich

der Verdacht

dich auch noch gut zu finden

am besten

man vermeidet gleich

sich fest an dich zu binden!


Na klar

dies ist ein Rat

und leider ist es meiner

denn du

bist ja kein Fan

und ich bin auch nicht deiner

du hast's versäumt

mit Kunst allein

mich zu betören

was bleibt... das ist dein Image

und das soll dir auch

gehören


Na klar

dir nach zu laufen

wird mir nicht passieren

auch wenn ich so

Gefahr lauf'

dich noch zu frustrieren

wenn ich hier

statt für dich

für ANDERE Werbung mache

und über dich

mitsamt dem doofen Image

herzlich lache


Jaja, ich weiß

ich hätt's

im Stillen machen sollen

doch will's mir nicht

gelingen, dir

Respekt zu zollen

kannst du denn

widersteh'n

nun alles abzustreiten

und mit ner weit'ren Ausflucht

noch mehr

Schwachsinn zu verbreiten?


Wie uncool auch

würd' man sich mal

belehren lassen

mit Ehrlichkeit

den Irrtum

bei sich selbst erfassen

denn peinlich

mag's ja sein

gereicht's doch zur Erkenntnis

bisweilen

fehlt zur Menschwerdung

der Wille zum Bekenntnis


Mit ihm: Der Mut

sich, einfach

wie man ist, zu zeigen

und wo man

nichts

zu sagen hat, auch mal zu schweigen

statt umgekehrt

den Oberschlauen

rauszuhängen

die Absicht zu verdecken

und die Wahrheit

zu verdrängen


Fanatisch

kann man auch

dem Eigenkult verfallen

ist dabei schnell

auf's eigne Image

reingefallen

mit dem man sich

erhöht

und aus der Masse schwindet

in der man sich

trotz allem

leider immer noch befindet


Na klar

ich will als Fan

mir keinen Abgott schaffen

werd' ganz bestimmt

kritiklos nicht

nach oben gaffen

und doch

erlaub' ich's mir

Mensch wie auch Kunst zu lieben

sonst' wär's mit meiner eig'nen Kunst

nur beim Versuch 

geblieben


Na klar

lass' ich befruchten mich

und inspirieren

hab' keine Angst

das Eig'ne

dabei zu verlieren

das Leben

bleibt Geschenk

ich weiß es anźunehmen

und werd' ...auch als Erwachs'ner...

der Gefühle

mich nicht schämen.



Rupi am 25.11.2022


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 © Rupert Lenz 79110 Freiburg

 

 

 

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