Offener Brief an Joachim Gauck

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Offener Brief an Joachim Gauck, Bundespräsident a.D.

 

Ja, lieber Herr Gauck,

 

natürlich ist nicht jeder, der „schwer konservativ ist“, auch eine „Gefahr für die Demokratie“,

und man muss zwischen „konservativ“ und „rechtsextremistisch“ oder „rechtsradikal“ unterscheiden.

Und ob's nun die CDU ist oder, weil die CDU manchen Konservativen zu „mittig“ oder gar „links“

geworden ist, eine andere Partei, in der solche „Menschen, denen Sicherheit und gesellschaftliche Konformität

wichtiger ist als Freiheit, Offenheit und Pluralität“, aber dennoch nicht so unwichtig,

dass sie einen anderen Staat wollen, eine „politische Heimat“ finden, dagegen ist nichts einzuwenden.

 

Aber bedeutet das automatisch, dass wir tatsächlich „mehr Toleranz in Richtung Rechts“ üben sollten,

wenn eine Partei wie die AfD gezielt am rechten Rand auf Stimmenfang geht und damit Rechtsextreme

wissentlich inkludiert und deren Weltbild wieder hoffähig macht, während einzelne „bürgerliche“

Gestalten nach vorn geschoben werden, um eine demokratische Fassade zu erhalten bzw. vorgaukeln

zu können ? Bedeutet eine solche Toleranz denn nicht, dass wir dann zulassen, dass Nazigruppen,

die – gut vernetzt – für Toleranz und friedliches Miteinander verschiedener Kulturen engagierte

bis einfach arglose Bürger bedrohen, zur Normalität werden und Rechtsextreme nicht mehr

beim Namen genannt werden dürfen, weil sie es geschafft haben, sich als „keine Nazis“ zu verkaufen,

weil eben gewisse Konservative mit Namen und Gesicht dafür herhalten ?

Ich weise nochmals darauf hin, dass ein Hans Olaf Henkel ganz sicher nicht grundlos dieser Partei

den Rücken gedreht hat – und was er seither öffentlich zum Thema zu sagen hat.

Gerade dieser Mann sollte in dieser Hinsicht – und betreffs des Differenzierens – eine Art

„Gradmesser“ sein, an dem man zumindest geistig den Konservatismus von latenter

Demokratiegefährdung und damit „gut von schlecht“ trennen kann, um sich drüber

bewusst zu sein, was tolerabel ist – und was auf keinen Fall toleriert werden darf.

Sein Konservatismus ist schließlich tatsächlich keine Gefahr für unsere Demokratie.

Außerdem ist er, da er so etwas wie ein Gewissen hat und auch anwendet,

weder machtversessen noch dumm, und ein wenig Gehirn wenigstens

sollte man auch von Konservativen Politikern einklagen können !

(Und das sagt jemand, der wirklich nie ein Fan dieses Mannes gewesen ist !).

 

Was aber hat Henkel bezüglich der AfD gesagt, die er mit aus der Taufe gehoben hatte ?

„Wir haben ein Monster geschaffen“ - und genau ein solches darf eben in Wahrheit

nicht toleriert werden, weil's egal wird, wie „viel oder wenig Nazi“ dessen Wähler sind,

die man dann doch lieber woanders integriert hätte und deswegen weder verschrecken

noch beleidigen will.

Auch die Linkspartei hat sich zu unserer Verfassung zu bekennen – und darf Leuten,

die sich die DDR zurückwünschen, nicht die Strippen ziehen lassen oder alle,

die sich „links“ gruppieren und dabei ein anderes System wollen, einladen,

bei sich mitzumachen. Wenn's da gewalttätig und staatsgefährdend wird,

ist das genauso wenig tolerabel wie Fremdenhass und Faschismus.

 

Mir ist klar, Sie wollen Menschen politisch integrieren, die unzufrieden sind

und bei den etablierten Parteien „keine Stimme haben“.

Aber wieso ist das so ? Das liegt mitnichten einfach am Versagen der dortigen politischen Eliten,

selbst dann nicht, wenn man es als eklatant deklarieren kann.

Wieso nämlich engagieren sich nicht mehr Leute in CDU oder SPD,

um dort zu kämpfen für ihre politischen Ziele, wenn sie doch fest auf dem Boden

der Verfassung stehen ? Was erwarten diese Leute denn... immer von ANDEREN ?

Diese Parteien können nicht „anders rüberkommen“ als sie es tun,

wenn die Bürger sich lieber selber aus der Verantwortung stehlen und Richter spielen,

bis sie Lügnern ihre Stimme geben, die's in Wahrheit genauso machen,

Lügnern, die darauf bauen, dass man ihnen dann „die Macht überlässt“ und unverholt, nach

dem Sündenbockprinzip, Hetze betreiben.

Lügnern, die davon profitieren, dass sich so viel wie möglich Menschen übervorteilt und/oder vernachlässigt fühlen aber nicht weiter zu

denken oder Verantwortung zu übernehmen bereit sind,,

Die CDU/CSU hatte meines Wissens nach nie etwas gegen Konservative Mitglieder,

die sich in der Partei engagieren, und genauso wenig hat die SPD was gegen Neuzugänge,

die für soziale Gerechtigkeit kämpfen und dem „kleinen Mann“ damit wieder Gewicht verleihen können.

Die „Abgehobenheit“, die man dann, chronisch unzufrieden, diesen Parteien und ihren Führungskräften

unterstellt, während man tatsächlich von ihnen geleistetes einfach untern Teppich kehrt,

kann sich in dieser Form ja auch nur ergeben, wenn die Menschen meinen, dass „die das schon machen“,

und dann irgendwann aufwachen und feststellen, dass es anders aussieht, als man's gerne hätte.

Dann schlägt die Stunde der Populisten, weil sie dort mit ihrem vereinfachten Weltbild samt einfachen Lösungen den größten Applaus

bekommen – und sich nicht die Mühe der differenzierten Auseinandersetzung machen brauchen.

Es genügt, ein „Wir-Gefühl“ des vermeintlich gesunden Menschenverstands zu erzeugen,

indem man sich dauernd gegenseitig bestätigt bei den immerselben Anklagen und Vorurteilen.

Ansonsten kann das Gehirn dann endlich heruntergefahren werden,

denn es stöhnt ja sowieso unter der Überbelastung und will in Wahrheit den Dienst vollständig einstellen können !

„Freiheit, Offenheit und Pluralität“ sind dann aber nicht mehr bloß „weniger wichtig“ als... VOLLKOMMEN EGAL

was, weil... sie sind überhaupt nicht mehr wichtig, sie sind, im Gegenteil, BEDROHUNGEN für den herbeigewünschten Denkfrieden.

 

So etwas darf man nichtmal im Ansatz tolerieren, Herr Gauck,

so etwas muss, wie ein unerwünschter, lebensbedrohlicher Virus, isoliert und bekämpft werden,

bis die Bedrohung verschwunden ist !

Ich hab's auf meiner Seite bereits erwähnt und wiederhole mich also, aber...

während meiner Zeit im Wirtschaftsgymnasium habe ich ein Referat über das Ende der Weimarer

Republik, die Machtergreifung Adolf Hitlers und dessen Ursachen halten müssen,

und mir scheint, dass außer großen Reden, Gesten und Bekenntnissen von einem Bewusstsein

darüber, was da und wie es passieren konnte, bei vielen Bundesbürgern erschreckend wenig übrig ist...

während ich, vor meinen Augen, mit ansehen muss, wie sich viele überwunden geglaubte Dinge

einfach wiederholen, durch die unsere Demokratie nicht nur in Frage gestellt sondern,

aus egoistischen Interessen und vom inneren Schweinehund des sich zum Opfer stilisierenden „Normalos“

angefeuert, blindlings riskiert wird.

 

Mehr Toleranz in Richtung Rechts ?

Schön und gut, aber nur, wo man sich nicht nur per Lippenbekenntnis von Faschismus und Faschisten

distanziert und vor allem ...wo man gar nicht erst versucht, mit deren Hilfe an die Macht zu kommen.

Denn alleine das ist bereits fahrlässig und hat mit einem echten demokratischen Selbstverständnis

nichts mehr zu tun... womit die Toleranz zurecht aufhören muss.

Unvergessen bleiben mir Hannes Wader's Worte bei einem Konzert mit Konstantin Wecker

auf dem ZMF hier in Freiburg, das über 10 Jahre her ist...:

„Wegen der Neonazis, die inzwischen meine Lieder mißbrauchen, wurde ich gefragt,

wieso ich denn nicht versuche, mit diesen Leuten zu reden.

Meine Antwort: Ich rede nicht mit Faschisten !“ - und Rückgrat wie dieses ist, angesichts

einer nichtdemokratischen Kraft im Bundestag, um einiges angesagter als ausgerechnet ein mehr

an Toleranz gegenüber Leuten, die überhaupt nicht wissen, was Toleranz überhaupt ist !

 

Mit freundlichen Grüßen und auch in Dankbarkeit für Ihre Dienste an der Demokratie

 

Ihr

Rupert Lenz

(Freiburg, den 15.06.2019)

 

 

© Rupert Lenz 79110 Freiburg

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