CDs die man haben sollte

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CDs die man haben sollte


2012


Al Jarreau & The Metropole Orkest – Live
(Concord/UMG)

Da Al Jarreau nirgends so gut ist wie auf der Bühne,
gibt es von ihm viel zu wenig offizielle Live-CDs.
Nach all den vielen Jahren ist es noch immer der,
wie er die CD selbst ein mal vor mir nannte, „Dinosaurier“
aus dem Jahr 1977, „Look to the Rainbow“,
der am beeindruckendsten zeigt, was dieser Mann alles
mit seiner Stimme machen kann.
Da dies aber ein Dokument der Frühphase seiner Karriere ist,
fehlen auch massenweise Song-Klassiker,
die seinem Publikum seither ans Herz gewachsen sind.

„Live in London“ (1984) war dann ein Dokument für
Jarreau's poppigste (und kommerziellste) Phase,
blieb aber doch hinter den Erwartungen zurück,
vielleicht weil das aufgezeichnete Event (im Londoner
Wembley Stadion) für ihn einfach zu gigantisch und damit
auch zu unpersönlich ausgefallen war (dennoch gab es
im Jahr 2010 beim kleinen US-Label „Friday Music“
eine sehr empfehlenswerte „Deluxe Edition“ auf CD,
mit bestem Remastering und 4 Bonustracks deutlich besser
als die ursprüngliche VÖ).
Auch hier gab es nur eine Auswahl beliebter Stücke,
so mancher Knaller wie „Spain (I Can Recall)“
oder „Agua de Beber“ glänzte, da mehr Jazz als Pop,
durch Abwesenheit, ausserdem war „Roof Garden“,
eigentlich der Party-Song von Al schlechthin,
etwas kurz geraten und, man glaubt es kaum,
der Studio-Version ausnahmsweise mal unterlegen !
Und wo war das phänomenale „Mornin'“ geblieben,
mit dem er seit '83 auch die müdesten Geister wach bekommt ?

„Tenderness“ von 1994 schließlich, mit einem riesigen
Ensemble namhafter Instrumentalisten von Marcus Miller
über Joe Sample bis David Sanborn als intimes Special-Live-Event
konzipiert, das Jarreau wieder näher an seine Jazz-Wurzeln
zurück brachte, sollte sein letztes Album für Warner Brothers
werden, dem Label, bei dem er seit seinem späten Debut
„We Got By“ (1975) alle Alben veröffentlicht hatte.
Auch diese CD sehr schön, für Fans unverzichtbar (Al's
mitreißende Version von „Mas que nada“ oder das wunderbare
„Wait for the Magic“ sind einzig dort zu finden !),
doch... wer ihn mehrfach live erlebt hat, der weiß, was ich meine...
schon wieder war es irgendwie nur ein "Taster" geworden,
so ein Live-Konzert von diesem Mann, es ist ein Erlebnis,
das offenbar nie in seiner ganzen Bandbreite und Brillanz hat
auf Tonträger gebannt werden können,
man hat immer wieder das blöde Gefühl, dass man ihn
„schon besser erlebt“ hätte, dass „irgendwas fehlt“ von der
unglaublichen Begeisterung, die er auszulösen im Stande ist,
eine Begeisterung, die nicht selten in einer großen Party
mündet, die das Publikum und er miteinander feiern.

2012 also endlich „Live - die vierte“, diesmal mit großem Orchester
(Arrangements und Leitung: Vince Mendoza),
und schaut man sich die Tracklist an, dann kann man sich ein
Grinsen nicht verkneifen, denn wieder fehlt z.B. „Mornin'“,
aber wenn man von einer Doublette absieht („We're in This Love Together“
gab es bereits auf „Live in London“), bekommt man als Fan und Sammler
nun doch langsam – Stück für Stück – die innigst gewünschten, bisher
auf Live-Platten fehlenden Exemplare der unverzichtbarsten Live-Klassiker
aus Jarreau's umfangreichem Repertoire zusammen.
Ganz toll ist die Auswahl nämlich diesmal, sie lässt fast keine Wünsche offen,
obwohl es nur gerade mal 11 Lieder sind... „Spain“ (endlich) ! „Agua de beber“
(endlich) ! „After All“ (endlich) ! Post-2000er-Klassiker wie „Cold Duck“,
„Something That You Said“ und „Scootcha-Booty“ inklusive,
da will man gar nicht noch nach „Oasis“ (habe ich 2004 live in absoluter
Gänsehaut-Version erleben dürfen !) oder gar „Lotus“                                                                                                                

(das 2004-Studio-Album "Accentuate the Positive", das ganz dem Jazz gewidmet ist,                                                                      

gehört sowieso in jeden gut sortierten CD-Schrank !) fragen, nein,
man hat nur noch die Fragen, ob denn a) das Orchester nicht doch zu viel
wird bzw. stört und b) man nicht doch bei der Stimme langsam Abstriche machen muss,
da Al bei den Aufnahmen nun auch schon über 70 war.

Die Antwort(en) sollte sich jeder, der auch nur irgendwas mag, das Al Jarreau
im Laufe seiner Karriere so gemacht hat, unbedingt selber anhören,
denn die Antwort ist seine beste Live-Platte seit „Look to the Rainbow“,
und die ist ja nun wirklich schon gefühle Ewigkeiten her.
Natürlich ist es wieder nicht ein „normales Jarreau-Konzert“,
da muss man langsam die Hoffnung aufgeben, es sei denn, irgendwer bei Warner findet
mal irgend so was in einem Archiv, was echt schön wäre vor allem für die 80er Jahre,
aber es ist geradezu überwältigend, ein monströses Fest der musikalischen Extraklasse
aller Beteiligten, ein orgiastisches Zusammentreffen eines erstklassigen,
mannigfaltigen, einzigartigen instrumentalen Klangapparats...
mit einem hervorragenden Orchester ;-).
Achso, ich hätte "Al Jarreau" schreiben sollen statt "Orchester", aber der ist allein eben
schon so gut wie ein ganzes, solches, also konnte ich mir diese Pointe nicht verkneifen.
Al ist sowieso ein Hammer, nicht nur als Sänger, auch als Mensch,
und da er nun mit 76 Jahren immer noch auf die Bühne geht,
auch wenn er dazu mittlerweile Hilfe braucht und sich hinsetzen muss,
kann ich nur jedem raten, ihn sich (noch) mal anzutun, wenn er in der Nähe ist.
Diese Lebensfreude und -bejahung, sie ist stärker als die ärgsten körperlichen Gebrechen,
und die Stimme... sie ist nicht tot zu kriegen. Al Jarreau ist der größte (noch) lebende
Sänger, und, wie diese Live-CD beweist, dieser ist nun mal
nirgends so gut wie auf der Bühne.

Rupert am 15.01.2017

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2011

 

John Hiatt – Dirty Jeans and Mudslide Hymns

(New West/Ryko)

 

John Hiatt, der ewige „Songwriter's Songwriter“ aus der „zweiten Reihe“

der „Americana“ genannten Musik, die sich zusammensetzt aus Rock, Folk, Blues, Country

und oft etwas hemdsärmeliges hat, er schien zu schwächeln.

Nach dem überzeugenden „Master of Disaster“ (2005) waren nur noch zwei,

eher schwächere Alben ( „Same Old Man“ von 2008, eine ins Seichte abgleitende Sammlung von Liebesliedern,

sowie „The Open Road“ von 2010, mit zwar guten Songs aber miserabler Produktion)

erschienen, und man war gerade so weit, zu glauben, dass die Zeiten von wirklich

großartigen Werken wie „Slow Turning“ (1988), „Walk On“ (1995)

oder „Crossing Muddy Waters“ (2000) wohl unwiederbringlich vorbei seien,

da reißt sich der gute Mann doch nochmal am Riemen bzw. am genannten Ärmel,

geht mit den besten Liedern seit vielen Jahren, einem versierten Produzenten (Kevin Shirley)

und seiner sowieso großartig eingespielten „Combo“ ins Studio,

und macht – ist natürlich nur meine bescheidene, subjektive Meinung –

mit „Dirty Jeans and Mudslide Hymns“ wie im Vorbeigehen,

völlig entspannt und als ob es gar nichts wäre, die Platte seines Lebens !

Ich war aber so was von baff, als ich sie hörte, denn jahrelang beliebte ich bezüglich Hiatt

zu mosern, dass er „eben nunmal kein J.J. Cale“ wäre und damit auch nicht jemand,

der mich begeistern kann in Genreübungen, die mir persönlich stilistisch doch nicht so liegen,

sondern dass er eben als Amerikaner so typische Musik für Amerikaner macht,

an der ich zwar grundsätzlich nicht viel auszusetzen habe,

die mir dann aber doch schnell langweilig wird oder gar auf den Sack geht.

 

Dazu passend ist Hiatt's Stimme so ein typisch amerikanisches Gemisch

aus Schmirgelpapier und übermäßigem Alkoholgenuss, zwar männlich, aber dabei

nicht besonders schön klingend, was dann auch mal so richtig nerven kann,

wenn er ins Jaulen gerät oder sie sonstwie überansprucht.

Da aber Bob Dylan auch singen darf, Tom Waits es sich ebenso wenig verbieten lässt,

und ich Joe Cocker sogar selber liebe, kann ich mich auch darüber schlecht beschweren,

nur weil J.J. Cale immer so klug war, seine Stimme im Mix zurück zu fahren,

bis manchmal nur noch ein angenehmes Flüstern zu hören war.

Jeder so, wie er mag, manche hören ja auch gerne den Keith Richards singen,

und rein musikalisch ist mir das alles dann doch lieber als Helene Fischer oder auch

die viel gepriesene Adele.

 

„Dirty Jeans and Mudslide Hymns“ ist derart gut, dass ich beim Anhören sofort alles vergesse,

was ich an dieser Mucke auszusetzen haben könnte, und hier spielt Hiatt eben doch

endlich mal nicht nur für ein paar Songs sondern über die volle Distanz 

in einer Liga mit J.J. Cale, so viel Spass macht mir das Ding.

„Adios to California“ oder „Detroit Made“ könnten ja auch locker von J.J.'s besten Platten

stammen, und auch das herrlich swingende Bluegrass-Stück „All the Way Under“

hätte noch gut auf „Really“ oder „Grasshopper“ mit dazu gepasst.

Aber vollends zieht es mir die Schuhe aus, wenn Hiatt seine „finstere Seite“ zeigt,

die den Blues aus den tiefsten Tiefen seiner Seele holt und ihn den Schmerz geradezu

herausschreien lässt, den Schmerz über das, was in seinem Heimatland so alles passiert,

ob das nun die Zerstörung der Umwelt ist oder sich direkt auf 9/11 bezieht...

„You wouldn't believe what a paradise this was,

til every Adam and Eve, Tom, Dick and Harry

started fighting for what he loved...“

("Down Around My Place", für mich das Lied von Hiatt überhaupt !).

Daneben klingt selbst der großartige Chronist Don Henley mit seinem sehr schönen

„Goodbye to a River“ wie ein allzu schüchterner, weinerlicher Schuljunge.

Hiatt hat's voll drauf... und hier zeigt, hier gibt, hier bringt er wirklich alles,

geht ans Eingemachte und packt die Realität verbal an den Eiern,

und genau so klingt es dann auch, denn eine Gänsehaut jagt die nächste.

Nächstes Beispiel ist „Hold On For Your Love“:

„Out in the woods, my old truck is on fire
Burning the last drops of my enormous desire
Men eating men and there's no time for crying
I'm tired of the blood and I'm sick of the dying“

Wem sich da beim Anhören nicht die Nackenhaare aufstellen,

der hat derart fantastische Lieder einfach nicht verdient.

 

Und ich, ich hatte den guten John Hiatt einfach selbst jahrelang nicht verdient,

ich schulde meinem amerikanischen Freund Scott ("my brother from another mother")

nämlich mehr als nur meinen Dank, weil der mich vor ein paar Jahren mit einer Riesenladung

mp3s („Dies sind meine Lieblingsalben von meinem Lieblingsmusiker...“)

dazu gebracht hat, dem ewig unterschätzten Mann doch mal wieder (und dann richtig)

meine Ohren zu leihen. „Dirty Jeans...“ war damals noch gar nicht dabei,

aber sowohl „Crossing Muddy Waters“ alsauch „Master of Disaster“ hatten mich

hellhörig gemacht, und auch die glatteren Produktionen, die Hiatt zuvor

für größere Labels wie A&M oder Capitol aufgenommen hatte, drangen nun

Stück für Stück richtig zu mir vor.

 

Aber den rauen, „rootsigen“ Hiatt, den habe ich am Liebsten, und das Schöne ist,

dass auch die bisher folgenden 2 Alben, „Mystic Pinball“ ("Blues Can't Even Find Me" !!!!!)

und „Terms of My Surrender“ ("Long Time Comin'" !!!!!) , mir allerbestens

reinlaufen. Aber „Dirty Jeans and Mudslide Hymns“... die ist sauschwer

zu toppen, die ist einfach genial, vom wütenden „Damn This Town“ am Anfang

bis zur Elegie für den 11. September und seine Opfer („When New York Had Her Heart Broke“)

am Ende. Auch ein älteres, bisher unaufgenommenes Schmankerl namens „Train to

Birmingham“ muss noch erwähnt werden, ach, diese Platte ist einfach perfekt,

so perfekt, wie man sich z.B. ein neues Bruce Springsteen-Album seit vielen Jahren

wünscht, ohne es bekommen zu haben... da höre ich doch längst lieber auch ältere Sachen

von Herrn Hiatt an, der zwar kein „Boss“ sein mag, aber als Songschreiber mindestens

genau so gut ist !

 

Anspieltipps: Down Around My Place, Hold On For Your Love, Adios to California,

Detroit Made, All the Way Under

 

Rupert am 20.01.2017

 

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2010

 

Cock Robin – Songs From a Bell Tower

(blackbird music)

 

Es gibt Künstler, die man nicht vergisst, weil sie zu ihrer Zeit

mit dem, was sie machten, voll in die „richtige Kerbe“

gehauen haben, sich auszeichneten durch eine besondere

Emotionalität, mit der sie einen als Hörer persönlich ansprachen,

und wenn da Hits waren, dann klangen sie nicht nach Konfektion,

sondern waren Lieder mit unverwechselbarer Identität

und damit einzigartig. Wenn solche Künstler von der Bildfläche

verschwinden, dann wünscht man sich, dass sie doch

wieder kommen mögen, möchte wissen, was sie denn so treiben,

freut sich über jedes Lebenszeichen und hört interessiert zu,

wenn es zu neuen Projekten kommt, selbst wenn diese Projekte

für die größere Käuferschicht nicht mehr interessant sein mögen.

 

Cock Robin sind solche Künstler, genauer Peter Kingsbery

und Anna LaCazio, deren Stimmen einander traumhaft ergänz(t)en

und deren Lieder (meist aus der Feder Kingsbery's) so authentisch

von Leidenschaft und Liebe klangen, dass man meinte,

einem Seelenstriptease beizuwohnen und ihnen jedes Wort

abnahm, denn das war... keine heile Schlagerwelt,

im Gegenteil, im Stück „El Norte“ reflektierten sie auch über

eine Art Yuppie-Paradies, in dem der materielle Wohlstand

regiert und den Liebenden scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten

zur Auswahl stehen, um dann den Finger in die Zeitgeist-Wunde zu legen:

„Maybe I don't understand it, maybe I won't try,

but nobody seems too satisfied“.

 

Zunächst auch privat ein Paar, nahmen sie in den 80ern gemeinsam

drei Alben für die Sony (Cock Robin, After Here Through Midland,

First Love/Last Rites) auf, brachten 7 Hits in die Charts und

trennten sich wieder, da sie sich bereits vor dem dritten Album

auseinandergelebt hatten, aber auch, so denke ich,

weil dieses dann, am Ende des Jahrzehnts,

nicht mehr ein solcher Verkaufsrenner war.

Peter hatte mit „Only the Very Best“ aus dem Musical/Film „Tycoon“

dann noch einen Nummer Eins-Hit in Frankreich,

kam dort beim Universal-Label Barclay unter und veröffentlichte

4 mehr oder weniger sperrige, auf jeden Fall unkommerzielle und daher

auch nicht besonders erfolgreiche Solo-Alben,

während man von Anna gar nichts mehr hörte, denn ihr Solo-Album

kam erst gar nicht heraus. Der Name Cock Robin wurde im Lauf der

Zeit zum Relikt aus den 80ern und reduzierte sich im Bewusstsein

der Leute auf die 3 größten Hits (When Your Heart is Weak, Just Around the Corner

und The Promise You Made), an die sich auch das Radio noch erinnerte,

die ein oder andere „Best of“-Kompilation verblieb auf dem Markt,

aber die Original-Alben wurden von der Sony gestrichen.

 

Es gibt Platten, die einen beim ersten und zweiten Hören

ratlos zurück lassen, bei denen man sich dann fragt,

wer denn, von der ursprünglich anvisierten Klientel,

sich das kaufen soll, Platten, die sich der Erwartungshaltung

dessen, der sie wegen dem Namen kauft, der drauf steht,

verweigern und deshalb für eine Enttäuschung sorgen.

Wenn man sich aber davon nicht abschrecken lässt,

sondern ihnen richtig Zeit gibt, um ein zu sinken,

sprich: Wenn man es nicht bei ein, zwei Hördurchgängen

belässt, vielleicht auch nur, weil man irgendwie eben doch hofft,

dass es da mehr zu entdecken gibt, dass man irgendwie

geblendet war durch die eigenen Erwartungen und

man den Künstlern weitere Chancen „schuldet“, da sie

einem doch mal sehr viel bedeutet haben und doch nicht

alles verloren haben können, wofür man sie liebte,

dann dreht es sich langsam von einem Extrem ins andere,

dann wird aus anfänglicher Enttäuschung erst Verwunderung

(„doch nicht so übel“) und irgendwann dann greift man sich

an den Kopf und fragt sich, wieso man es nicht gleich hörte,

denn man ist nach der Platte süchtig geworden und muss

sich geschlagen geben: „Ich habe mich geirrt, ich muss ja

taub gewesen sein, zumindest war ich ignorant, das Ding ist

großartig, wie konnte ich auch nur zweifeln an den Qualitäten

der noch immer heiß geliebten Künstler, so ein Mist aber auch nur,

dass sie es damit dem großen Publikum so schwer machen,

dass der verdiente Erfolg mal wieder ausbleiben müsste“.

 

„Songs From a Bell Tower“ ist so eine Platte.

Cock Robin hatten sich bereits im Jahr 2006 wieder zusammengefunden

und mit „I Don't Want to Save the World“ ein fulminantes Comeback-Album

vorgelegt, das nur leider fast ganz unter Ausschluss der Öffentlichkeit

in die Läden gekommen war und deshalb das Schicksal von Peter

Kingsbery's Soloplatten teilen sollte: Es ging unter wie ein Stein.

Ich hätte heulen können damals, so ungerecht war das,

denn Peter hatte viele Lieder für das Album gemacht,

die nicht nur zu seinen besten zählten, nein, er hatte sich hörbar

Mühe gegeben, nicht nur für seine eigene Befriedigung zu schreiben,

sondern eben für Cock Robin und ihre Fans, für Liebhaber guter

Popmusik aus den 80er Jahren. Und mit „Superhuman“,

„I Don't Want to Save the World“ und auch dem subtilen „Bo“

waren hitverdächtige, zumindest radiotaugliche Ohrwürmer dabei gewesen,

die, bei entsprechender Medienpräsenz, das Comeback zu einem

erfolgreichen neuen Start hätten machen können.

 

Klar, die Produktion klang nicht mehr wie in den 80ern, sie war

zeitgemäß ausgefallen und hatte damit auch die Schwächen

zeitgemäßer Produktionen anno 2006, denn die digitalen Hallräume,

sie ließen die Stimmen von Anna und Peter nicht mehr saftig klingen

wie einst, sondern teils sogar knochentrocken, sodass Hörer, die von solchen

Dingen keine Ahnung haben, gar nicht mitbekommen sollten,

dass und wie sehr sich hier vor allem Anna die Seele aus dem Leib

gesungen hatte, und das in Wahrheit besser als je zuvor.

Ich höre so etwas. Und ich hasse die das Klangbild verengenden

digitalen Hallräume der 2000er-Jahre. Dennoch war „I Don't Want

to Save the World“ Cock Robin's bestes Album geworden,

übertroffen nur durch Kingsbery's zweites Solo-Album

„Once in a Million“, aber dies war in den 90ern eben weniger kommerziell

und daher noch, irgendwie, verständlicherweise gefloppt.

Aber z.B. „Superhuman“ kein Hit ? Das verstehe wer will, das ist mir zu hoch.

Das war „love at first listen“ so wie auch einst „The Promise You Made“.

 

Und natürlich waren meine Erwartungen hoch, als 2010 dann endlich

„Songs From a Bell Tower“ erschien. Immerhin hatten sie's nicht gleich

wieder aufgegeben, waren erneut bei einem Winz-Label untergekommen

und als zusätzlichen Kaufanreiz gab es das bisher nur als Download erhältliche

Live-Album von der Comeback-Tour als Bonus-CD.

Klar, dass ich da „zuschlug“, ohne zuvor rein zu hören.

Cock Robin sind nunmal so Künstler, die man nicht vergisst.

Jedenfalls für mich.

 

Der erste Eindruck war katastrophal. So, als ob Peter diesmal gesagt hätte:

„Was soll ich mich weiter bemühen, passende Lieder für Cock Robin zu schreiben,

wenn die dann heutzutage auch nicht mehr kommerziell genug sind,

um uns zurück in die Öffentlichkeit zu bringen... ? Ach, scheiß drauf,

ich bin ein Künstler und, wenn Anna mitmacht, mache jetzt auch bei

Cock Robin nur noch das, was ich will.“

Peter hatte offenbar masturbiert, und Anna hat mitgemacht.

Auweia. Ist irgendwie voll in die Hose gegangen.

Auf jeden Fall werden die zwei damit keinen Blumentopf gewinnen.

Immerhin ist ja noch das Live-Album dabei, und das ist gut,

auch wenn „Superhuman“ und „I Don't Want to Save the World“

live leider nicht so doll umgesetzt worden sind, aber auch das ist ja

eine Krankheit der Neuzeit: Im Studio wird gerne vergessen,

ob man das live denn auch so bringen kann... egal.

 

Ganz schlimm am neuen Studio-Album war ausgerechnet das Lied,

welches, offenbar für's Radio und damit als „Single“ angedacht,

ganze zwei Mal mit drauf kam, ein Mal „normal“, und ein zweites Mal

als „Radio Edit“ und Bonustrack am Ende. „Grand“ heisst es,

und bleibt man im Terminus der künstlerischen Masturbation,

so kam ausgerechnet hier so gut wie gar nichts mehr raus,

und, um es gleich zu sagen, egal, wie oft ich das Album nun angehört habe

und wie sehr ich es ansonsten längst liebe, „Grand“ ist immer das geblieben,

was es bereits beim ersten Hören für mich war... nämlich äußerst platter,

keine weitere Erwähnung mehr würdiger Krampf.

 

Aber der Rest... nun, „Now and Then“ ist nun wirklich kein Lied,

welches man an den Anfang hat stellen sollen, aber sie haben es eben trotzdem

getan, und es ist ja gut, doch die wirklichen Perlen – und man höre nun

bitte genau hin, vor allem dann, wenn Anna singt – folgen erst.

„Part of Your Tribe“ ist wirklich richtig geil, strengt jedoch auch sehr an,

aber die ganze Platte ist nun mal kein „Easy Listening“.

„A Natural Affair“ ist fantastisch, ebenso – hier glänzt auch

Peter gesanglich, obwohl er sich immer wieder schwer tut - „Extraordinary Thing“.

Was aber „Songs From a Bell Tower“ so schwer zugänglich und den ersten

Eindruck so negativ macht, das ist die Tatsache, dass die drei allerbesten Lieder

erst am Schluss kommen und man sich durch die ersten 8 Tracks erstmal

kämpfen muss, und dass dieser Kampf – auch wenn er sich zu 7 Achteln

dann doch sehr lohnt - so schwer ist, dass nicht minder anspruchsvolle Kost

wie das himmlische, von Anna's Stimme getragene „Caught in Your Stream“,

das bis tief in die Seele dringende Titelstück, mit dem Peter sich selbst und seiner

großen, eigenwilligen Liedschreibekunst ein Denkmal setzte, sowie das alles

krönende, zu Tränen rührende „Ligne de Chance“ (der französische Text im Refrain

stammt von Fan Sophie Collet-Lefebvre)... einem dann einfach erstmal viel zu viel ist.

 

Eigentlich hätten Cock Robin die Platte mit einem dieser drei absoluten Meisterstücke

beginnen lassen müssen, damit man gleich in die richtige Stimmung versetzt wird.

Wieso nicht „Caught in Your Stream“ ? Unkommerziell ist die ganze Platte sowieso,

und hier macht es einem die Anna immerhin so leicht wie möglich.

Und wenn es doch lieber Peter's Stimme sein sollte, die zu Beginn mehr im Fokus

steht, dann eben gleich das Titelstück, denn das gibt die Richtung vor,

es sagt deutlich, dass diese Platte ihm gehört, dass der Name

mittlerweile nur noch ein Name ist, aber Anna gerne mitmacht und immerhin

mit ihrer Stimme veredelt, was dem Peter so an merkwürdigen Liedern einfällt.

 

Hört man die Platte quasi „rückwärts“, oder fängt eben mit den Tracks 9 bis 11 an,

in dem man sich an ihnen fest beißt, dann glückt auch irgendwann der Zugang zu

den anderen Liedern, von denen die Tracks 3 und 5 ebenfalls zum allerbesten

gezählt werden müssen, was unterm Namen Cock Robin je veröffentlicht wurde.

Und bis auf eben die „Single“... erweisen sich alle als gut bis sehr gut,

wenn man ihnen nur die Zeit gibt, die sie brauchen.

Dann wird aus der Masturbation auch eine richtige Befruchtung,

sofern man, wie ich, anfangs enttäuscht ist, denn

„Songs From a Bell Tower“, das ist klar, ist eine schwierige Angelegenheit,

doch eben auch eine sehr, sehr lohnende... man darf nur nicht erwarten,

dass man hier Ohrwürmer oder gar Hits „wie früher“ findet...

es ist schon auch noch, irgendwie, Popmusik, aber mit Haken und Ösen

und jenseits aller Charts, nennen wir es also "Post Pop", und der

wird hier manchmal psychedelisch und bedient sich auch gern mal beim

Jazz, wenn es um Rhythmik, Arrangement-Sprengsel oder Harmonien geht –

hier sollte jedenfalls ganz groß „Achtung, Kunst !“ draufstehen,

damit man sich als Käufer nicht vertut.

 

So wie es aussieht, bleibt es nun auch tatsächlich Peter's und Anna's

letztes gemeinsames Album, denn Kingsbery benutzte zuletzt den Namen

Cock Robin für Konzerte ohne sie.

Das hätte er mMn wirklich bleiben lassen sollen, aber wahrscheinlich waren es

die Konzertveranstalter, die ihn dazu drängten,

und da muss man wiederum Verständnis haben,

denn alle wollen sie Geld verdienen und der Name ist nun mal bekannter...

wegen der 80er Jahre allerdings.

Mittlerweile wurde Coralie Vuillemin als Nachfolgerin von Anna LaCazio

vorgestellt, auch ein Album namens "Chinese Driver" ist erschienen,

das ich bisher aber nicht gehört habe.

Dass die besten Platten von Cock Robin mit Anna jedoch

die zwei unbekannteren aus den letzten 11 Jahren sind, das wissen nur die

hartgesottensten Fans, die auch zu Peter Kingsbery solo ins Konzert gehen würden:

„I Don't Want to Save the World“ und, ich bestehe drauf, „Songs From a Bell Tower“.

 

Statt Anspieltipps die persönliche Tracklist, so wie ich das Album gegliedert hätte:

1. Caught in Your Stream

2. Extraordinary Thing

3. Now and Then

4. A Natural Affair

5. Chequered Past

6. Songs From a Bell Tower

7. Inside Our Cage

8. Part of Your Tribe

9. Ligne de Chance

10. Janice

 

Rupert am 21.01.2017

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2009

Bruce Cockburn - Slice O Life (Live Solo)

(True North/Cooking Vinyl, Vertrieb sämtlicher Cockburn-Alben in Deutschland: Indigo)


 

Der Kanadier Cockburn hat ausserhalb seiner Heimat nie den "großen Durchbruch" geschafft,

obwohl er Mitte der 80er für eine kurze Zeit auch bei uns in Deutschland etwas bekannter wurde,

vor allem durch sein Album "Stealing Fire", welches damals im "Musikexpress" zur "Platte des Monats"

gekürt worden war. Der darauf enthaltene Song "Lovers in a Dangerous Time" wurde später 

im Lied "God Part 2" ("Part 2" da von Bono als "Antwort" auf John Lennon's Lied "God" getextet)

von U2 "zitiert": "Heard a singer on the radio late last night, says he's gonna kick (at) the darkness

till it bleeds daylight". "Stealing Fire" beinhaltete außerdem das musikalisch brilliante und inhaltlich brisante

"If I Had a Rocket Launcher", das genauso auf "Slice O Life" wieder zu finden ist wie der 

Regenwald-Song "If a Tree Falls" (vom Album "Big Circumstance"),

dessen Video bis in die 90er Jahre hinein immer wieder auf MTV zu sehen war und

dem Sänger/Gitarristen/Poeten/Liedschreiber Cockburn nochmals zu etwas Aufmerksamkeit bei uns verhalf.

 

Sicher sind seine oft politisch engagierten Texte ein Hauptgrund, wieso er vor allem von "links" orientierten

Leuten geschätzt wird, dann wäre da noch seine (im weiteren Sinne "christlich" zu nennende) Spiritualität,

die ihn auch für andere Klientel interessant macht,

aber letztlich verweigert er sich der Kategorisierung/Schubladisierung und was

bleibt ist ein einzigartiger Liedschreiber mit wachem Auge für Innen- und Außenwelt,

dessen Stimme zwar nicht für die Massen gemacht aber angenehm zu hören ist,

auch wenn sie unangenehme Wahrheiten zur Sprache bringt

(es ist kein Wunder, dass Bono sich durch ihn angesprochen fühlte),

und dessen Gitarrenspiel weit mehr ist als damalige Vergleiche mit Mark Knopfler es erahnen lassen:

Er hat seinen ganz eigenen Stil des Pickings, spielt immer wieder mit Open Tunings und

ist sowohl auf der akustischen (wie hier zu hören) alsauch auf der elektrischen Gitarre so brilliant wie

unverwechselbar.

 

Leider aber blieb er immer ein "Geheimtipp", sodass die Zuhörerschar sehr überschaubar blieb,

als er in eben jenem Jahrzehnt für ein Solo-Konzert in die St. Ursula-Aula nach Freiburg kam.

Seit jenem Konzert schon hatte ich mir ein Album wie "Slice O Life" von ihm quasi "gewünscht",

dies später auch in einem Brief erwähnt, den ich via Management an Cockburn geschickt habe,

und in den von Cockburn verfassten Liner-Notes bekam ich dann zu lesen, dass ich beileibe nicht der Einzige war...

plus "Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat".

Denn "Slice O Life", das war bereits Cockburn's viertes Live-Album, aber nun erst bekamen seine Hörer

ein akustisches Dokument von dem zu kaufen, was es jahrelang nur im Konzertsaal zu bewundern gab:

Der Meister allein auf der Bühne, in intimer Athmosphäre, seine Lieder/Geschichten und sein faszinierendes

Gitarrenspiel im Mittelpunkt... Cockburn pur.

Endlich !

 

Und beim Anhören müsste auch allen, die meinen, dass "Stealing Fire" das "wichtigste Werk" Cockburns sei,

bewusst werden, dass da nicht nur viel, viel mehr zu finden ist als die wenigen, etwas bekannteren Lieder,

sondern... dass diese Einschätzung so überhaupt nicht stimmen kann.

Ja, "Slice O Life" ist eine wunderbare Einführung in des Musiker's enormes, umfangreiches Schaffen,

das deutlich mehr (und besseres gar) an Alben zu bieten hat von sowohl zuvor ("Dancing in the Dragon's Jaws" !

"The Trouble With Normal" !) alsauch danach ("Nothing But a Burning Light" ! "The Charity of Night" !)

und wenn es überhaupt etwas zu bemängeln gibt, dann ist es die Abwesenheit "früher" Lied-Perlen

wie "All the Diamonds in the World" oder "Lord of the Starfields", denn Cockburn ist ja bereits seit

1970 "unterwegs"... aber das ändert nichts an der tollen Liedauswahl und den wunderbaren Performances.

Man höre sich nur mal das Instrumental "The End of All Rivers" an...

ein wahrer Ohrenschmaus, den Cockburn hier kredenzt... und wie er hier durch Hilfe des Delays

mit sich selber um die Wette spielt. Aber auch "World of Wonders", "Celestial Horses", "Pacing the Cage"

und (mein Lieblingssong) "Child of the Wind"... auf's Minimalste reduziert scheinen die meisten seiner Lieder

eher noch hinzu zu gewinnen als irgendwas zu verlieren, was genauso (umso mehr !) gilt für die "Hits" !

Deshalb sind 2 CDs eigentlich nicht genug... einen Nachschlag mit den zwei erwähnten Tracks an Bord

plus z.B. "Bone in My Ear", "Mighty Trucks of Midnight", "Waiting for the Moon", "Understanding Nothing",

"Look How Far", "Closer to the Light", "Silver Wheels"...

hätte ich dann doch noch gerne.

 

Egal. Cockburn's Live-Alben nach "Circles in the Stream" blieben mMn beide hinter den

Erwartungen zurück, aber "Slice O Life" entschädigte sehr für die lange Wartezeit und muss hier

- bei meiner Auflistung von "CDs, die man haben sollte", bei der ich nun Jahr für Jahr "zurück in der Zeit" gehe -

unbedingt und mit Nachdruck empfohlen werden... zusammen mit (mindestens) "The Charity of Night"...

auf jeden Fall sind sie (und andere Originalalben) deutlich besser als diverse "Singles/Best of"-Kopplungen,

denn oft sind es die "Deep Cuts", die wirklich "Cockburn at his very best" zeigen,

weniger die (ja auch nur marginal) bekannteren Lieder. Die Pausen zwischen seinen Studioalben

werden übrigens (sicher auch altersbedingt, aber er ist ja relativ spät noch einmal Vater geworden,

außerdem hat er eine Biografie geschrieben und gibt unablässig Konzerte)

immer länger - das letzte datiert auf 2011 - aber für dieses Jahr ist wieder eines angekündigt !

 

Rupert am 14.Juni 2017

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2008

Ludwig Hirsch - 30 Jahre

(Universal)

 

Man mag mir verzeihen, dass ich für's Jahr 2008 keine richtige Neuerscheinung auswähle,

aber es stand bei mir ganz im Zeichen von Ludwig Hirsch,

denn endlich veröffentlichte die Universal sein Gesamtwerk auf CD,

die oben genannte Box beinhaltete sämtliche 12 Studioalben plus, als DVD,

den Livemittschnitt "Gottlieb" (von der Tour zu "In meiner Sprache").

Viele CDs hatte es bereits nicht mehr gegeben, als ich damals von Vinyl auf CD "umstellte",

und die Alben "Zartbitter" (1980, auf CD nur in Österreich um 1993 erhältlich)

sowie "Bis ins Herz" (1983, auf CD nie erschienen) hatte es für CD-Sammler dann

gar nicht bei uns zum Kaufen gegeben.

Ob man nun die ganze Box haben "muss", sei dahin gestellt, erst Recht, wenn

man bedenkt, dass ausser den CDs und der DVD da nichts mehr beiliegt

(bei Originalveröffentlichung gab's noch ein Originalautogramm vom Hirsch,

der ja noch unter den Lebenden weilte damals) und man ansonsten nur eine

riesige Pappschachtel dazu "bekommt", aber mir geht es darum,

hier nochmals vor allem die ersten fünf Alben vom Ludwig zu empfehlen,

denn die CDs gibt es seither ja auch einzeln... und, so weit ich weiß,

sind sie immer noch erhältlich.

Außerdem ist die unlängst erschienene 3er-Kopplung "Ich habs wollen wissen"

leider nicht so gut geworden, wie ich gehofft hatte, sprich:

"Alle Klassiker" steht drauf, aber zB 1928... Abel 82... ne, da fehlt zu viel,

während so Sachen wie "Dein Papagei" unnötig Platz wegnehmen...

also:

Wer den Österreicher mag, der "braucht" unbedingt:

Dunkelgraue Lieder (1978)


Komm großer schwarzer Vogel (1979)


Zartbitter (1980)


Bis zum Himmel hoch (1982) 


sowie

Bis ins Herz (1983).


Wer dann noch nicht genug hat, der schraube seine Erwartungen a bisserl runter

und kann weiterkaufen vor allem mit

In meiner Sprache (1991) 


und

Tierisch (1994),


auch Perlen (2002) ist noch ein richtig gutes Album gewesen.


Ich persönlich mag auch Landluft (1986) sehr,


die ist aber a) wirklich überhaupt nix für Zartbesaitete, da sehr derb

und b) auch wegen der volksmusikalischen Elemente (Blasmusik ! Quetschkommod !)

nicht jedermann's Sache, vor allem musikalisch aber ein Hochgenuss.

So lala ist

Traurige Indianer - Unfreundliche Kellner (1984) ausgefallen,


hat aber durchaus ihre Highlights (der wunderbare Pinguin hätte allerdings NORDWÄRTS watscheln müssen ;)!),

und Liebestoll (1989) sowie In Ewigkeit Damen (2006)

sind nur was für Komplettisten und Die Hard-Fans, da eher schwach.

Gottlieb - ob nun als DVD oder als Doppel-CD, ist natürlich prima,

aber ich weiß nicht, ob man die einzeln noch bekommt (CD sicher nur gebraucht).

 

Für mich war's jedenfalls ein Fest anno 2008, und das ist es immer noch... :D !

 

Rupi am 15. Juni 2017

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2007

 

Eagles – Long Road Out of Eden

(Universal)

 

Dass die Eagles es, nach vielen Jahren, Querelen und dem Rauswurf von Don Felder,

doch noch auf die Reihe brachten, gemeinsam ein neues Studioalbum zu vollenden,

und dann noch ein Doppel-Album... es war eine kleine Sensation, die bei mir aber

zunächst gemischte Gefühle auslöste. Die erste Frage war natürlich, ob es überhaupt nötig war,

zumindest aus musikalischer Sicht, oder ob die vier alten Herren nicht doch mit einem blutleeren Aufguss

bloß einfach noch mal Kasse machen wollten.

Gegen Livekonzerte hatte man ja nichts einzuwenden, alte Hits gab es dafür mehr als genug

(und gespielt wurden da gut und gerne über 3 Stunden), aber die seit der Wiedervereinigung

neu geschriebenen und aufgenommenen Lieder (4 auf „Hell Freezes Over“ 1994 plus „Hole in the World“

für eine von unzähligen „Best of“-Retrospektiven 2005) waren...

nicht nur quantitativ mager sondern auch sonst nicht wirklich zwingend ausgefallen,

im Fall von „The Girl From Yesterday“ sogar richtig übel.

 

Und auch wenn mir so manche Fans widersprechen werden, „How Long“,

die vorab veröffentlichte (und Grammy-ausgezeichnete) Single,

klang exakt nach dem befürchteten „blutleeren Aufguss“, es handelte sich um einen „liegengebliebenen“,

alten Song von J.D. Souther, der auf den ersten beiden Alben der Band (und vor allem mit Bernie Leadon und Randy Meisner)

sicher eine bessere Figur gemacht hätte als im Jahr 2007, in dem er wie ein altbackener, bemühter Anachronismus erschien,

mit dem die Herren Frey, Henley, Schmit und Walsh krampfhaft versuchten, nach „alten Eagles“ zu klingen.

Die Vorstellung, nun ein ganzes Doppelalbum solcher

Überflüssigkeiten zu erwerben, die im besten Fall das Prädikat „nett“ verdienen,

im schlimmsten aber nur noch Unwohlsein verursachen, war keine gute.

Schon gar nicht, wenn man, wie ich, die Soloalben von Henley („Inside Job“ war wirklich fantastisch ausgefallen)

und Frey („Strange Weather“ ist genausosehr unterbewertet und vielleicht sogar die beste „Post-Eagles“-CD) wirklich mochte.

 

Die Fragen wurden, beim Anhören von CD 1, die nun teilweise die schlimmsten Befürchtungen

zu bestätigen schien, mehr. Mit dem (bis auf eine dezente Gitarre) A-Capella Einstieg „No More Walks in the Woods“

flackert zwar kurz Hoffnung auf, aber dann kommt erstmal (5 Lieder lang) Leerlauf:

Das bereits erwähnte „How Long“ muss man dabei zwangsweise noch als Höhepunkt

erwähnen, doch ganz gruselig sind dann die von Glenn Frey, Joe Walsh („Guilty of the Crime“

- so ist es !) und Timothy B. Schmit gesungenen Songs,

während Don Henley auf Autopilot („Busy Being Fabulous“) gerade noch erträglich daherkommt.

Auweia ! Wenn das so weitergeht... dann wird dieses Werk zum reinen Staubfänger in der Sammlung.

Können Riesenegos wie Frey und Henley denn wirklich noch gemeinsam kreativ sein ?

War es klug von ihnen gewesen, mit Don Felder ausgerechnet den zumindest technisch versiertesten Gitarristen

der Bandgeschichte vor die Tür zu setzen ? Hätte man nicht zumindest Bernie Leadon

wieder an Bord holen sollen (wie dann später für die allerletzte Tour geschehen) ?

 

Dann kommt „Waiting in the Weeds“ (wieder Henley) und man atmet kurz auf: Ein richtig guter Song,

vielleicht etwas zu lang geraten, aber – verglichen mit dem, was da schon vorausgegangen war -

eine kleine Oase und damit ein richtiger Lichtblick. Auch „No More Cloudy Days“ von Herrn Frey

ist schön – schmalzig, klar, aber richtig gelungen. Leider geht’s danach wieder in den Keller:

"Fast Company", „Do Something“ und vor allem „You are Not Alone“ sind Lieder wie aus dem Setzbaukasten,

keinen Funken Originalität oder gar echte Emotionen könnte man ihnen nachsagen.

Ohjemineeeeeeee... da wartet noch eine ganze, weitere CD, um eher durchlitten als genossen zu werden.

Denkt man. Dachte ich.

 

Tja, aber dies ist die Rubrik „CDs die man haben sollte“

und nach all dem Negativen, das ich bisher geschrieben habe über diese, und wenn man CD1

genauso sieht wie ich, mache man sich auf eine sehr, sehr positive Überraschung gefasst,

denn „The Long Road Out of Eden“... das finale Album der großen Eagles... es ist zwar eine CD zu lang geraten,

geht aber dafür auf der zweiten so richtig los.

Und da wissen die Herren plötzlich rundum zu überzeugen, ja, selbst Don Felder's Abwesenheit wird nun

von Joe Walsh mehr als angemessen wett gemacht, denn der spielt zB beim formidablen Titeltrack, der uns in die Wüste führt,

ein ganz, ganz feines Gitarrensolo (und glänzt anderswo immer wieder mit seiner typischen Slide-Guitar).

Und Henley brilliert als Texter endlich so, wie man es von ihm erwartet !

Ausgerechnet der Irak-Krieg also lieferte die Inspiration zum besten Eagles-Song seit „Hotel California“, und das war lange her.

Man mache bloß nicht den Fehler und erwarte ein weiteres „Hotel California“...

nein, gute Lieder, und das zeigt CD 2 von Beginn an, sind alles, was es braucht.

 

Nun, man war mit CD 1 ja oft genug enttäuscht worden, also bleibt man kritisch und erwartet nun umgehend einen Qualitätsabfall.

Vielleicht ist dieser Titelsong ja, wie „Waiting in the Weeds“ auf CD 1, nur eine von wenigen „Ausnahmen“,

also ist Vorsicht geboten. Und ein kleines Instrumental, bei dem ausgerechnet Glenn Frey die Leadgitarre spielt

(„I Dreamed There Was No War“), es ist wie gemacht für einen „Downer“,

denn auch ein Anfänger auf der Gitarre könnte einem diese simple Melodie wohl problemlos kredenzen...

jedoch... statt zu klingen wie ein Verbrechen aus dem Hause Ricky King geht

dies "Experiment" hier unerwarteterweise so richtig unter die Haut, ja, man vergisst alle Technik,

denn hier steht echtes Gefühl im Vordergrund und es ist... einfach wunderschön !

Und bleibt nichtmal Frey's bester Moment auf dem Album. Denn der kommt gleich danach,

auch wenn es sich nicht um ein eigenes sondern um ein Lied von Frey's langjährigem Songschreibepartner Jack Tempchin handelt.

„Somebody“ ist ein Rocker alter Schule, mit richtig Schmackes dargeboten,

und hat einen Wahnsinnstext (Gruselatmosphäre !), den Glenn Frey voller Leidenschaft singt.

 

Und plötzlich ist es klar: Dies hier ist kein Aufguss, das nun wirklich sind endlich die Eagles,

die im Jahr 2007 angekommen sind, sie haben nur das Beste für CD 2 „aufgehoben“

(und waren leider nicht klug genug, das Allerbeste auf eine einzige CD zu komprimieren).

Denn es geht tatsächlich so (und so GUT !) weiter. „Frail Grasp on the Big Picture“ ist eine bitterböse Abrechnung

mit dem Amerika des George W. Bush, wie nur ein Don Henley sie schreiben (und singen) kann...

das rockt und groovt (mit Funk-Einschlag), dass es eine wahre Freude ist,

und Joe Walsh spielt sich die Seele aus dem Leib, bevor er als Songwriter und Sänger auch noch seinen großen Auftritt hat...

was für ein Auftritt...

„Last Good Time in Town“ (längst mein Favorit des Albums) ist Walsh at his very best,

ein cooler Groover mit viel Selbstironie, der lustige Text (der wilde Junge von einst bleibt heute lieber zuhause

und löst Kreuzworträtsel... aber es geht ihm gut !) ist das Sahnehäubchen zur großartigen Musik.

„I Love to Watch a Woman Dance“ (geschrieben von Larry John McNally,

der auch für Joe Cocker schon so manches Songjuwel verfasst hatte) ist ein formidabel gelungener langsamer Walzer

im Gewand einer Country-Ballade,

als hochsensibler Tearjerker mit Mandoline, Akkordeon und viel Schmaltz und Herz,

wie nur Glenn Frey ihn singen konnte... und wie er das singt... zum Dahinschmelzen !

Quasi ein gelungener Gegenentwurf zu „The Girl From Yesterday“,

bei dem ich erstmals Herrn Felder vehement widersprechen will (und damit auch endlich nachvollziehen kann,

dass es auch musikalische Gründe für die Trennung gab),

denn Felder lästert in seiner Autobiografie nicht nur (zurecht) über "The Girl From Yesterday",

sondern auch ausgerechnet über dieses Lied und sein Arrangement,

und für mich ist es ein Eagles-Klassiker ganz genauso wie auch „Tequila Sunrise“.

Und zwar... ganz egal, wer es geschrieben hat. Glenn Frey musste das einfach singen,

da bin ich ganz bei ihm, es ist herrlich.

 

Und herrlich sind auch die zwei folgenden Henley-Songs

„Business as Usual“ (wieder so ein richtig drängender Rocksong mit bösem Text) und, vor allem,

„Center of the Universe“ (wer den Harmoniegesang der Eagles liebt, der kommt hier voll auf seine Kosten !).

Und das war's dann.

„It's Your World Now“, der Abschluss, hat sicherlich an Tiefe gewonnen, nun, da Glenn Frey nicht mehr unter uns ist,

denn die Worte seines Lieds klingen wie ein bewusster Abschied,

obwohl es bis zu seinem Tod ja noch einige Jahre dauern sollte und damit ergo nicht wirklich autobiografisch ist.

Allerdings hätte dieses kleine, nette Liedchen auch auf CD 1 gepasst, denn es hätte nicht wirklich sein müssen.

 

Wenn man von der aber „No More Walks in the Wood“, „Waiting in the Weeds“ und,

ich hab ja nix gegen guten Schmalz, gerne noch „No More Cloudy Days“ nimmt,

wer's unbedingt braucht eben auch „How Long“,

und dann die Lieder von CD 2 (abzüglich des Finales)... man hat eines der allerbesten Eagles-Alben zusammen,

eins, das derart gut ist, dass man als Fan nicht dran vorbeigehen darf.

 

Vergleiche mit alten Meisterwerken verbieten sich eigentlich,

denn die stehen ja irgendwie unantastbar weit oben,

allerdings finde ich, dass genannte Lieder auf einer CD für den unvoreingenommenen Hörer

nichts weniger bieten würden als genau das: Ein weiteres Meisterwerk,

das man so nicht mehr erwarten konnte von dieser Band.

Dass es als Doppel-CD einfach zu lange ausgefallen ist, weil man meinte, man müsste

das ganze vorhandene Material veröffentlichen... das kann man mMn letztlich doch sehr gut verschmerzen.

Die beigemengten Luschen, vor allem auf CD 1, drücken meine Gesamtwertung dann eben doch...

außerdem machen sie mir klar, dass Timothy B. Schmit's Stimme dann doch am besten im Background aufgehoben ist,

denn die Songs, die er singt, sind mehr oder weniger auch deswegen wirklich schlimm

(und das schreibt jemand, der "I Can't Tell You Why" damals vom ersten Hören an liebte).

Aber die besten Tracks, und die ergeben immerhin eine gute, ganze CD voll,

die verdienen alle Höchstwertung und machen dem großen Namen der Band letztmalig alle Ehre.

 

Klar, die Lektüre des Buchs von Don Felder kann einem das Anhören ihrer Platten durchaus verleiden,

aber das ändert nichts daran, dass gute Musik bleibt, was sie ist, nämlich gute Musik...

und die Herren Henley und Frey wussten nicht nur, dass man dafür gute Lieder braucht, nein,

sie hatten immer Ohren dafür und konnten sie im Zweifelsfall (und in enormer Anzahl) auch selber schreiben...

 

R.I.P. Glenn Frey !

 

Rupert am 19.06.2017

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2006

 

Deep Purple - Live at Montreux 1996

(Eagle)

 

Achjeeee... schon wieder ein "Archival-release", als ob es 2006 nix anständig Neues gegeben hätte.

Ja, gab es, zB Cock Robin's formidables Comebackalbum "I Don't Want to Save the World" oder,

zuverlässig wie zu fast jeder Tour, Klaus Hoffmann's wunderbare Doppel-CD "Von dieser Welt Live"...

aber Cock Robin waren hier schon dran, Klaus Hoffmann kommt noch dran, und...

leider sind beide CDs vergriffen und ich möchte hier nicht nur so viel Künstler wie möglich vorstellen,

sondern auch, dass man sich die "CDs, die man haben muss", noch immer neu erwerben kann.

 

Und "Live at Montreux 1996" von Deep Purple... die bekommt man nicht selten für 5 Euronen nachgeschmissen,

wenn man Glück hat, gar als Doppel-CD gemeinsam mit "Live at Montreux 2006" (die aber schon deutlich schwächer ist).

Und von Deep Purple gibt es ja gefühlt unendlich viele Live-Veröffentlichungen, weshalb es mMn schon wichtig ist,

da zu filtern, weil man selbst als Fan davon sicher nicht alles braucht.

Ich fand ja schon damals, 1996, die höchstoffizelle und aktuelle Doppel-CD "Live at the Olympia '96"

(die auch schon längere Zeit vergriffen ist und damit als separate Empfehlung flachfällt) sehr stark.

Aber viele Fans bemängelten dann doch die Performance von Sänger Ian Gillan,

außerdem gab es da (ausnahmsweise, als Gäste) bei einigen Songs eine Bläsersektion,

was nicht jedermann's Sache ist, der eine Hardrock-CD hören will.

Und, klar, man kann auch an der CD "Live at Montreux 1996" etwas aussetzen, und zwar...

dass a) mit 10 Liedern nicht das ganze Konzert hier drauf ist, obwohl doch alles aufgenommen wurde (auf DVD erhältlich !) und

b) als Bonustracks, damit alle Fans, die die DVD haben, auch noch die CD "kaufen müssen",

2 Aufnahmen aus dem Jahr 2000 dazugetan wurden, und da denkt man doch automatisch an Flickwerk.

 

Nur... wer auch hier was an Gillan's Gesang zu bemäkeln hat, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen,

und diese 2 Bonustracks... sie sind so oberhammergeil, dass man tatsächlich, DVD hin oder her,

allein schon ihretwegen diese CD kaufen "muss", und das, obwohl jede einzelne Aufnahme hier ein Kaufargument ist,

sprich: Das Ding ist von Vorne bis Hinten einfach allererste Sahne...

und für Liebhaber der Band(geschichte) absolut unverzichtbar.

Ich gehe so weit, zu behaupten, dass, wenn man Deep Purple mag,

und neben der zweifellos legendären "Made in Japan" nur eine einzige, weitere Live-CD haben möchte,

es unbedingt "Live at Montreux 1996" sein sollte.

 

Und dafür gibt es (gute) Gründe:

1) Ausser (dem wohl unvermeidlichen) "Smoke on the Water" gibt es, Songweise,

keine weitere Überschneidung.

2) Dennoch gibt es Band-Klassiker en Masse ("Black Night", "Speed King", "Fireball", "Pictures of Home",

"Woman From Tokyo", "When a Blind Man Cries") in sagenhaften Versionen.

3) Anno 1996 kam es, nachdem Richie Blackmore ausgestiegen war, mit Steve Morse geradezu zu einer

energetischen Wiedergeburt der Band, weshalb auch die "neuen Lieder" mindestens genauso gut sind

wie das sträflich unterschätzte "No One Came" vom Album "Fireball", das hier auch superb dargeboten wird...

überhaupt hatte sich Blackmore einfach bei zu vielen Liedern der Bandgeschichte immer wieder verweigert,

obwohl sie es alle wert waren, endlich wieder live zu erklingen...

man verstehe mich nicht falsch, Blackmore ist ein großartiger Gitarrist und kann auch als Songwriter

nicht einfach "ersetzt" werden, hatte aber längst die Rolle des Miesepeters und Giftspritzers inne,

mit dem zusammen die Band kreativ einfach nicht mehr weiter kam (und menschlich an den Rand

des Kollapses gebracht wurde). Dass und wie sehr Steve Morse der absolut richtige Mann für Deep Purple war,

hört man am allerbesten bei

4) den Bonustracks vom Jahr 2000... da wäre a) der Wahnsinnssong "Sometimes I Feel Like Screaming"

vom ersten "Morse-DP-Album" Purpendicular, den er ja auch mitkomponiert hat,

mMn ganz genauso sehr ein Klassiker für die Band wie "Highway Star" oder "Child in Time",

der mir jedesmal die Schuhe auszieht und b) der Oberüberhammer der CD schlechthin,

die unerwartete Ausgrabung "Fools" vom "Fireball"-Album, und zwar in definitiver Version,

auch und gerade wegen Morse... ich flippe beim Anhören dabei regelmäßig komplett aus ;-) !

Zuguterletzt

5) Die Band war wirklich wie neugeboren und daher musizierten sie voller echter Leidenschaft

und Power.

Alle kommen sie bestens zur Geltung, ob der wunderbare Jon Lord (R.I.P.), ob Ian Paice,

Roger Glover, Ian Gillan und eben Steve Morse, sie sind alle in Topform und mit Spass und Hingabe dabei.

Klar, bereits 1996 war man nicht mehr ganz so jung und ergo auch nicht genau so energetisch

wie in den frühen Siebzigern, aber die Band gab wirklich alles... und das überzeugt mich auf ganzer Linie,

es ist ganz nah dran und damit fast genauso gut (und auf jeden Fall viel viel besser als "Come Hell or High Water",

"Perfect Strangers Live" und erst Recht "Nobody's Perfect").

Außerdem zeigt gerade diese CD, dass es eben nicht immer dieselben Lieder sein müssen,

dass selbst das "Fehlen" von "Strange Kind of Woman", "Child in Time", "The Mule", "Highway Star" und anderen

Favoriten gar kein Minus sein muss, sondern hier ein richtiges "Plus" ist, denn wenn überhaupt eines der Lieder hier

nicht unbedingt hätte sein müssen, dann ist es ganz klar "Smoke on the Water".

 

Gut, ich liebe auch "Perfect Strangers", und dieser Song fehlt tatsächlich, denn er war gespielt worden.

Aber egal, welche Live-Version von den vielen, die ich bisher hörte, man nimmt,

keine kommt an die Studio-Aufnahme ran.

Auch "Knocking at Your Backdoor" vom selben Album ist ein "Mark 2-Bandklassiker", den man

mit "Made in Japan" und "Live at Montreux" noch immer nicht in einer Liveversion besitzt.

Aber bei so viel Qualität darf das nicht stören, außerdem kann man sich auch immernoch die Studio-Alben

nach Wahl zulegen. Was aber Deep Purple "Live" betrifft... so wird wohl nie mehr etwas besseres

(oder tatsächlich gleichwertiges) nachkommen, und da bedeutet "Live at Montreux 1996", ganz salopp gesagt:

5 Euronen die sich lohnen !!!!

 

Rupi am 20. Juni 2017

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2005

 

Neil Diamond – 12 Songs

(Capitol/Universal, damals: Columbia/Sony)

 

Ich hasse Rick Rubin, denn er schafft es immer wieder, als Produzent

via Kompression und Clipping so richtig gute Rockscheiben

an den Rand der Unhörbarkeit zu bringen,

und zwar so, dass man sich wünscht, sie mögen eines Tages

doch bitte nochmal „richtig“ erscheinen, ohne die gräßlichen Übersteuerungen:

Was würde ich „La Futura“ von ZZ Top dann lieben,

es wäre mit Sicherheit deren bestes Werk seit „Afterburner“ !

Die Red Hot Chili Peppers würden mir deutlich mehr Lust machen,

denn „Californication“ ist voller guter Lieder... nur leider...

Rick Rubin eben, er verwechselt Lautstärke mit Dynamik,

sobald es musikalisch etwas härter zu geht.

Ich liebe Rick Rubin aber auch, weil er es immer wieder schafft,

altgediente Liedschreiber via Reduktion auf's Wesentliche

zurückzuführen zum Kern ihrer Arbeit,

ja, diesen Kern minutiös herauszuschälen und dabei nicht selten

neue Qualitäten offenbarend oder zumindest versiegte Inspirationsquellen

wieder freizulegen...:

Cat Stevens aka Yusuf („Tell 'Em I'm Gone“ - endlich traute sich der Mann,

den Blues zu spielen, das mag seltsam erscheinen, war aber immer in ihm drin

und hat mMn unbedingt rausmüssen... und „I Was Raised in Babylon“ ist, genauso

wie „Dying to Live“, vom Allerfeinsten !), Tom Petty („Wildflowers“)...

und natürlich Johnny Cash („American Recordings“) sind Beispiele,

wo Rubin's Einfluss und Arbeit dazu führte, dass (nochmal) richtige Karrierehighlights

entstanden, die zum Besten der jeweiligen Künstler gerechnet werden müssen.

 

2005 war dann Neil Diamond „dran“, offenbar eine Herzensangelegenheit

für Rubin, denn zu Recht stand Diamond ganz oben auf seiner Liste

der ewig unterschätzten „ganz Großen“, die Amerika zu bieten hat.

Die Aufgabe war mit Sicherheit keine leichte, denn... irgendwann in den 80ern

hatte Diamond den „Faden“ verloren, neue CDs versanken in der Belanglosigkeit,

die Hits blieben aus, die neuen Lieder wirkten übersentimental denn

die Arrangements ertränkten sie im Las Vegas-Bombast und Neil selbst...

nun, er schien sich dann doch damit zu begnügen, sein vorhandenes Publikum

mit großen Liveshows voller Oldies zu beglücken, denn als Entertainer war er immer

ein Ass und konnte damit auch in den 90ern mühelos Stadien füllen.

Aber als ich in den Linernotes seiner (formidablen) Box und chronologischen Werkschau

„In My Lifetime“ (1996) lesen musste, dass er hofft, dem Vorhandenen in Zukunft noch

Wesentliches hinzuzufügen, wurde ich traurig, denn... es sah wirklich nicht mehr danach aus,

die dritte CD der Box war eindeutig die schwächste und dazu noch sehr sorgfältig

ausgewählt worden... will sagen: Von „Lovescape“ und „Tennessee Moon“

zB befand sich zu Recht nur je ein einziges Lied drauf, und mit Neil's Großtaten

vergleichen konnte man das trotzdem nicht.

Und das Album „Three Chord Opera“, das 4 Jahre nach der Box erschien, war leider auch nicht

viel besser, man wurde ansonsten aber nur noch mit weiteren „Best ofs“,

Coverversionen und Weihnachtsplatten (von einem Juden !) regelrecht zugeschüttet.

 

Neil Diamond ? Er lebte zwar noch, aber er gehörte längst zur Vergangenheit, außerdem war er komplett „uncool“,

man steckte ihn doch längst in eine Schublade mit Barry Manilow

oder sah ihn als verirrten 70er-Jahre-Elvis-Klon, und ganz unschuldig war er selber daran nicht...

wenn ich mich dazu bekannte, Neil's Musik zu lieben, bekam ich oft verbale Dresche,

da halfen auch Urge Overkill („Girl, You'll Be a Woman Soon“) oder eben der von

Rick Rubin reanimierte Johnny Cash („Solitary Man“) mit ihren Coverversionen

nichts, die halfen gar nichts, denn da waren ja auch UB 40 („Red Red Wine“)...

und eben tatsächlich massig Platten von Neil selbst, die außer Die-Hard-Fans

kein Mensch braucht. „Was magst Du denn an dem ?“ „Er kann Lieder schreiben...

und er kann sie auch singen... er gehört zu meinen ganz großen Vorbildern,

ich werde immer zu ihm aufschauen, ganz egal, was Du sagst !“.

 

Man mag das abtun mit meiner eigenen Vorliebe für Balladen und, manchmal, Kitsch.

Aber Diamond war auch immer mehr als „You Don't Bring Me Flowers“,

„Hello Again“ oder „Song Sung Blue“. Da war dennoch dieses authentische Element,

das direkt aus seiner Seele kam und mit seinen eigenen Worten zur Seele des Hörers sprach,

da war dieser Funken Echtheit, der das Pathos von „Heartlight“ (über E.T. !)

glaubwürdig machte, der den Bombast von „Holly Holy“ und die Tragik von „I Am... I Said“

über bloßes Entertainment hinaushob... da war Persönlichkeit, ein Mann aus Fleisch und Blut,

ja, ich sagte gerne – und nahm dazu ein Foto von „Hot August Night 2“ - dass dieser Mann,

der allzugerne als „Softie“ gesehen und belächelt wurde, im tiefsten Inneren ein stahlharter

Macho sein muss, denn solche Fotos... sie können einem bei Betrachtung so richtig Angst

machen... oder etwa nicht ? „Ich sehe da ein echtes Tier...der Typ gibt alles auf der Bühne,

der ist eigentlich sogar ein waschechter Rock'n'Roller,

da besteht kein Zweifel, und für mich ist und bleibt er ein ganz Großer“.

Sicher hing meine Bewunderung auch mit meiner Kindheit zusammen... denn Lieder von ihm im Radio

zu hören, das war immer eine große Freude gewesen, ob „Sweet Caroline“,

„Longfellow Serenade“ oder „Beautiful Noise“... erst Ende der 80er begann ich dann,

seine Platten auch zu kaufen, aber ich hatte ihn immer im Hinterkopf, immer auf dem Plan,

denn er beherrschte wie kein Zweiter diesen Balanceakt zwischen Anspruch und Einfachheit,

der einen Ohrwurm, eine richtige Hitsingle aus der Trivialität herausheben kann.

Und natürlich Balladen... „If You Know What I Mean“... „Love On the Rocks“...

„September Morn“.... was hat dieser Mann für wunderbare Balladen geschrieben...

und wie herzlos muss man sein, um sich von denen nicht berühren zu lassen ?

 

Aber auch für mich war Neil Diamond längst eine Ikone der Vergangenheit,

als Rick Rubin sich seiner annahm. Und ich hatte richtig Muffe, dass das Ergebnis ausgerechnet

mir nicht gefällt, denn... nunja, ich hörte mir die „12 Songs“ und deren Nachfolger „Home Before

Dark“ (2008) lange Zeit nicht an, ging an ihnen vorbei, wollte mir die Enttäuschung ersparen.

Und für 2005 hatte ich ganz Anderes geplant, um hier auf meiner Gedichteseite drüber zu schreiben,

schließlich erschienen damals Woolly's (Maestoso) „Grim“, Chris Rea's „Blue Guitars“, a-ha's „Analogue“,

Paul Weller's „As is Now“, Georg Danzer's „Von Scheibbs bis Nebraska“...

alles großartige Werke, die zum Besten dieser Künstler gehören und hiermit ebenfalls

wärmstens empfohlen sind.

Aber nun, da ich sowohl „12 Songs“ alsauch „Home Before Dark“ - die beiden „Rubin-Platten“ von Neil -

endlich meiner Sammlung hinzufügte, und seit 2 Wochen kaum etwas anderes höre,

mit der einen Melodie aus ihnen im Kopf zu Bett gehe und mit einer anderen wieder aufwache,

„muss“ ich eben auch drüber schreiben.

 

Es ist fantastisch, was Rubin da aus dem guten, alten Neil Diamond „herauskitzelte“.

Es kommt einer Wiedergeburt gleich. Vor allem „12 Songs“ überzeugt auf ganzer Linie,

obwohl das allerschönste Lied („Pretty Amazing Grace“) auf „Home Before Dark“ zu finden ist.

Diese geht derart gut los (mit "If I Don't See You Again" und eben "Pretty Amazing Grace"),

dass man schon hofft, sie wäre noch besser ausgefallen,

wird danach (nach "Don't Go There", um genau zu sein, denn das mag ich auch noch sehr,

vor allem wegen dem Text...) aber doch schon wieder eine Spur zu träge, während „12 Songs“ das hohe Niveau

von Anfang bis Ende durchhält und wirklich deutlichst zeigt, wieso Neil Diamond schon immer

zu meinen Favoriten gehörte. Die Arrangements... nun, es ist eben Rick Rubin,

und da gibt es keinen „Schnickschnack“, hochsensibel wird da eher weggelassen als

auch nur ein „falscher“ bzw. überflüssiger Ton erlaubt, aber dennoch... wunderbar dezente Bläser,

Streicher nur da, wo es Sinn macht ("Evermore"),

hervorragenedes Ensemblespiel, nicht nur akustische Gitarren... aber aufs Schlagzeug wird verzichtet,

da gibt's nur - wenn überhaupt - filigrane Percussion-Arbeit stattdessen.

Die Lieder aber sind es, auf die es ankommt, und da weiß sogar „Man of God“ noch zu überzeugen,

dieser mitreissende aber dann doch eine Spur zu banal geratene Gospel, den ich –

zusammen mit dem Eröffnungssong „Oh Mary“ - für die schwächste Komposition hier halte.

Aber auch der Eröffnungssong ist derart emotional geraten, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen können beim Zuhören.

Und zuhören... das sollte man hier ganz bewußt und konzentriert,

denn diese Lieder erzählen Geschichten und diese Geschichten wiederum erzählen von einem

Mann namens Neil Diamond, der sich seiner Gefühle nicht schämt.

 

Dieser Mann musste sich, dank Rick Rubin, sehr überwinden, er musste kämpfen,

er musste zu sich selbst zurück, um einen neuen Anfang zu machen

und mit diesem Anfang wieder zu sich selbst zu finden, dem wirklich hungrigen Liedschreiber,

der uns von sich erzählt, der seine Gefühle und Gedanken ungefiltert herauslässt.

Und genau dieser Liedschreiber ist es, der mich fasziniert, der mich berührt mit seinen Worten,

seiner Stimme, seinem Gitarrenspiel (das hier erstmals seit vielen, vielen Jahren wieder

zu hören war auf einem Studioalbum). Dieser Liedschreiber, er hat immer noch alles,

wofür ich ihn je liebte, und er zeigt hier das allermeiste davon in Vollendung:

„Delirious Love“, „What's It Gonna Be“, „I'm On to You“, „Save Me a Saturday Night“...

das ist Neil Diamond at his very best, und... „Hell Yeah !“... „12 Songs“ zeigt ihn so,

wie er klingen muss, es ist wirklich eine Ausnahmeplatte und ziemlich sicher die beste,

die Neil während seiner langen Karriere im Studio aufgenommen hat...

denn zuvor waren es ja doch meist nur die Singles und Livealben, die herausragten.

Ich bekomme immer wieder Gänsehaut, ich glaub es kaum, aber sie ist wirklich so gut.

Und für solche Sachen liebe ich Rick Rubin eben.

Es war klar, dass Diamond sich nach „Home After Dark“ wieder von ihm verabschieden würde.

Man hört vor allem dieser Platte dann an, wie sehr er mit sich kämpfen und hadern musste,

um Rubin zufrieden zu stellen und dabei auch selbst zufrieden zu sein.

Er gilt als hypersensibel und kompliziert, auf Nachfrage sagte er einst,

er "hoffe, kein Tyrann zu sein, aber emotionaler Diktator wäre wohl ein passender Begriff" für ihn...

und dass Neil sich nicht gerne unterordnet und eben doch nach zumindest etwas mehr Bombast sehnt,

hat die Arbeit mit Rubin mit Sicherheit erschwert,

obwohl er auch mit Don Was als Produzenten gottlob nicht vergessen hat,

dass weniger manchmal mehr sein kann („Melody Road“).

 

Aber „12 Songs“... das ist es. Gefällt mir mehr noch als Johnny Cash, Tom Petty und auch Yusuf. Hell Yeah !!!!!!!!

Das ist der pure Neil Diamond, den es für uns allerdings ohne Rick Rubin nicht gegeben hätte,

da ein solcher Seelenstriptease meistens einen Katalysator braucht und ein Entertainer

wie Neil allein längst viel zu viel Angst hat, sich seinem Publikum so zu zeigen,

ja, auch sich selbst – bei der Arbeit - so anzusehen, zu konfrontieren.

Gottlob hat er es dann doch getan. Es kam, wie gewünscht, zum Karriereschub,

"Home Before Dark" war dann sogar noch erfolgreicher und wurde ein #1-Album

in den US-Billboard Charts.

Aber vor allem kam es mit Rubin's Hilfe zur Wiederentdeckung der Qualitäten eines Mannes,

der für mich schon immer ein ganz Großer war und nun, wenn auch spät in seiner Karriere,

auch endlich bei vielen Kritikern und jungen Hörern den Status besitzt, der ihm gebührt...

wer's immer noch nicht glaubt, der braucht eigentlich nur „12 Songs“ anhören...

aber gönne sich dann bitte auch zumindest „Pretty Amazing Grace“, den allergrößten

„späten Klassiker“ aus Neil's Feder, der irgendwie halt ein Album zu spät kam,

das man sich aber auch noch kaufen kann, obwohl es die „12 Songs“ nicht ganz erreicht.

Ansonsten tut's ja die wunderbare "In My Lifetime"-Box plus "Hot August Night" !

 

Rupi am 05.09.2017

 

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 Rezensionen:

© Rupert Lenz 79110 Freiburg

 

 

 

 

 

 

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